Pressestimmen
Luftschlösser in Serie
400 000 Wohnungen auf nicht existenten Grundstücken bauen: Das ist nicht das einzige Wunder, das von der neuen Bauministerin zu vollbringen ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.01.2022 von Matthias Alexander
Groß ist das Versprechen der Ampelkoalition, um nicht zu sagen tollkühn: "Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten." So steht es im Koalitionsvertrag. Die Frau, die das alles schaffen soll, heißt Klara Geywitz. Sie leitet das neu geschaffene Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen . Erstmals seit beinahe 25 Jahren gibt es somit wieder ein eigenständiges Bauministerium . Was erst einmal ein gutes Zeichen ist, weil es von der Bedeutung zeugt, die die neue Regierung dem Thema gibt.
Stellt sich nur die Frage, ob das Haus mit den ihm zugewiesenen Kompetenzen und seine Chefin mit ihren Fähigkeiten die Erwartungen erfüllen können. Was die bisher weithin unbekannte Ministerin angeht, so gibt es Anlass für vorsichtigen Optimismus. Die Karriere von Geywitz in der SPD ist zwar nicht eben strahlend verlaufen. 2019 flog sie aus dem Landtag und fand anschließend eine Stelle im Rechnungshof des Landes Brandenburg. Man kann aber auch freundlich auf diese Laufbahn blicken, gerade unter dem Aspekt, inwieweit sich Geywitz, die als prinzipientreu und sachorientiert gilt, auf ihre neue Aufgabe vorbereiten konnte. Fragen des Bauens werden weit mehr als vom Bund auf Landes- und Gemeindeebene bestimmt, auf beiden hat sie Erfahrungen gesammelt, in Potsdam als Stadtverordnete und als Aufsichtsrat der städtischen Bau - und Wohnungsholding.
Mein Leitbild ist die kompakte europäische Stadt
Die Berufung von Petra Kahlfeldt zur Senatsbaudirektorin von Berlin löste heftige Kritik aus: Ihre traditionsorientierte Architekturauffassung sei nicht zeitgemäß. Im ersten Interview spricht sie über gute Stadtquartiere, Rekonstruktionen und das kleinste Haus, das sie je gebaut hat
Die Welt vom 20.01.2022 von Rainer Haubrich
Der Lichthof im Gebäude der Bauverwaltung am Köllnischen Park ist eine Attraktion für jeden, der sich für Berlins Stadtentwicklung interessiert: Zwei riesige Holzmodelle der Innenstadt stehen dort, dazu ein Modell aus DDR-Zeiten, das zeigt, wie man sich das sozialistische Zentrum vorstellte. Den Ausstellungsraum mit Glasdach entwarf im Jahr 2006 das Ehepaar Kahlfeldt. Jetzt gibt Petra Kahlfeldt als neue Senatsbaudirektorin dort ihr erstes Interview. Gerade einmal zwei Wochen ist sie im Amt.
WELT:
Frau Kahlfeldt, haben Sie schon einmal ein Gebäude aus Holz gebaut?
Petra Kahlfeldt:
Ja, ein ganzes Holzhaus, ein sogenanntes "tiny house" in Sachsen-Anhalt als kleinen Rückzugsort im Grünen. Über viele Jahre war mein Schwerpunkt die Transformation von Gebäuden, da hatte ich vielfältige Kontakte mit Holz.
Die Kraft der Ideen
Der neue Senat sucht Formate, um die Demokratie in der Stadt zu stärken. Das ist überfällig. Beteiligung muss umfangreicher gedacht werden, als Berlin es bisher tut.
Der Tagesspiegel vom 17.01.2022 von Markus Dröge
Wenn es um die Zukunft der städtischen Demokratie geht, hat sich der neue Berliner Senat viel vorgenommen. Die Stadtentwicklung soll kooperativ gestaltet, Stadtteilkonferenzen und neue Bürger:innenbeiräte zu vielen Themen sollen eingerichtet und die Leitlinien für Bürgerbeteiligung weiterentwickelt werden. Letzteres vor allem zeigt: Da ist ein Suchprozess im Gange. Der ist wichtig und auch dringend nötig.
Doch reicht der Ansatz schon aus, um der allgemeinen Entfremdung zwischen Gremienpolitik und zersplitterter Stadtgesellschaft entgegenzuwirken? Selbst die jetzt geplanten Konzepte gehen doch immer noch von einer sehr traditionellen Beteiligungsidee aus. Der Staat bezieht bei der Entscheidungsumsetzung Bürger:innen ein – direkter zwar als früher üblich. Aber lässt er sich auch von ihnen einbeziehen? Ist er frühzeitig, sogar vorgelagert eigener Entscheidungen offen genug für deren Ideen, deren Impulse? Ist ihm bewusst, dass es nicht nur um Akzeptanz und Durchsetzung gehen sollte, sondern umgekehrt auch um Dazulernen und Veränderungsoffenheit?
40 Punkte in 100 Tagen
HARMONIE NACH PLAN Senat verkündet nach Klausur sein Programm – und betont, wie gut alles läuft
Der Tagesspiegel vom 17.01.2022
Bis 31. März will der Senat die Themen Wohnungsbau, Verkehrswende und Lehrerverbeamtung angehen. Ende Februar soll der Haushalt bis 2023 stehen. Zu Enteignung wurde bei der Klausur nichts beschlossen
Mit einem prall gefüllten und aus 40 Punkten bestehenden Vorhabenkatalog geht die aus SPD, Grünen und Linken bestehende Koalition in die ersten 100 Tage der Legislatur. Bis zum 31. März sollen insbesondere die Themen Wohnungsneubau, Verkehrswende und Lehrerverbeamtung angegangen werden. Auf der Agenda steht auch die Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro sowie die in der vergangenen Legislatur verschobene Änderung der Bauordnung. Ebenfalls geplant: Neustartprogramme für Wirtschaft und Kultur sowie die Schaffung der Voraussetzungen für eine mobile Polizeiwache am Kottbusser Tor.
So modern, so konservativ
Am Molkenmarkt prallen Städtebaukonzepte aufeinander. Entwürfe werden nun vorgestellt – und könnten verschiedener nicht sein
Der Tagesspiegel vom 16.01.2022 von Ralf Schönball und Teresa Roelcke
Das Projekt zählt zu den größten Umbauten der Innenstadt. Unweit des Fernsehturms, hinter dem Roten Rathaus, will der Senat am Molkenmarkt Hunderte Wohnungen schaffen, Platz für Restaurants, Cafés, Läden sowie Büros auf den Straßen der bisher autogerechten Stadt. Beton wird aufgerissen, neue Grünanlagen angelegt. Und es ist eines der ersten großen Vorhaben in der Stadtentwicklung , das Stilwillen und Doktrinen unter der umstrittenen neuen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt aufzeigen könnte.
„Für den Molkenmarkt streben wir eine kleinteilige Bebauung mit vielfältiger Nutzung und sehr guter Architektur an“, steht im Koalitionsvertrag. Das ist die Abkehr von der städtebaulichen Linie, wonach größere, auf landeseigene Gesellschaften zugeschnittene Blöcke Vorrang haben, munkelte man in politischen Kreisen: Ausdruck des Wechsels an der Spitze der Verwaltung, der Staffelübergabe der Linken an die SPD.