droht ein unattraktives Stadtviertel zu entstehen.
28.02.2022 von Gerhard Hoya

Der Molkenmarkt ist als Platzanlage durch Abriss der historischen Randbebauung nicht mehr erkennbar. Zwei übermäßig breite Hauptverkehrsstraßen durchkreuzen die Brache. Die Verkehrsbelastung ist viel zu hoch. Verkehrsplanungen, die die Reduzierung des Verkehrsaufkommens reduzieren, wurden bisher nicht vorgelegt.

Der festgesetzte Bebauungsplan sieht für den Molkenmarkt wieder einen viel zu großen Verkehrsraum vor. Die Planung sieht zwei Richtungsfahrbahnen mit je 3 Fahrstreifen und eine Straßenbahntrasse mit 12m Breite, also eine Verkehrsraumbreite von 45 m vor. Dieser viel zu breite öffentliche Raum lässt keine Urbanität und hohe Aufenthaltsqualität erwarten.

Der Bebauungsplan nimmt zwar einen erkennbaren Bezug zum historischen Stadtgrundriss, verzichtet jedoch darauf, die historische Kleinteiligkeit der Parzellenteilungen wieder festzulegen. Aus politischer Sicht will man die Grundstücke nicht mehr an einzelne private Bauherren verkaufen, sondern je eine große Parzelle an zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften veräußern. Mit dieser Maßnahme soll preisgünstiges Bauen ermöglicht werden. 50 % der Wohnungen sollen im Förderprogramm „Sozialer Wohnungsbau“ errichtet werden. Hieraus ergeben sich Finanzierungsprobleme und die Gefahr schlichter unattraktiver Architektur.
Sozial ist, was gesellschaftlich Anklang findet, als "schön" und "harmonisch" empfunden wird, Gemeinschaft stiftet und Geborgenheit verheißt. Mit zweckrational-"billiger" Gestaltung allein lassen sich diese Ansprüche nicht einlösen.

Aus dem Pseudo-Bürgerbeteiligungsverfahren flossen keine nennenswerte Ergebnisse in das durchgeführte städtebauliche Wettbewerbsverfahren zur Neugestaltung des Molkenmarktes und des Klosterviertels ein. Am 29. und 30. November 2021 hat das Preisgericht die Entwürfe der beiden Planungsteams Albers und OS arkitekter Klingbeil prämiert und zur weiteren Ausarbeitung der Planung im Rahmen eines Werkstattverfahrens ausgewählt. Das Ziel, ein kleinteiliges Innenstadtquartier zu bauen, wurde deutlich verfehlt. Lediglich im Bereich des Großen Jüdenhofes kommt der Entwurf vom Büro Albers der Kleinteiligkeit näher. Die weitere Bearbeitung der Planung dieses Stadtquartiers im historischen Zentrum erfordert einen deutlichen gestalterischen Bezug zur historischen Bebauung. Archäologische Fenster reichen nicht. Einige wenige Leitbauten, wie z. B. die Schule Zum Grauen Kloster, sollten zusätzlich den Bezug verdeutlichen. Die Rekonstruktion historischer Strukturen und Nutzungen schafft attraktive Plätze. Mit dem Großen Jüdenhof als Ort besonderer geschichtlicher Bedeutung und dem damit räumlich verbundenen Französischen Kirchhof sind attraktive vernetzte und begehbare öffentliche Räume mit einer hohen Aufenthaltsqualität zu schaffen.

An historische Vorbilder angelehnte Altstadterneuerung gehen nicht an den Bedürfnissen der Gegenwart vorbei! Der zeitgenössische Städtebau hat nicht nur seine ästhetische Überzeugungskraft verloren, sondern ist zu einem Faktor der schwersten Umweltzerstörung geworden. Fassaden von Immobilien sollen abwechslungsreich gestaltet sein. Zu schlichte, zu karge Fassaden entsprechen nicht den Wünschen der Menschen. Tatsächlich hat das "traditionelle" Bauen einen nie voraussehbaren Auftrieb erfahren. Man denke nur an die zahlreichen Rekonstruktionsprojekte, die neuen Altstädte in Dresden, Potsdam, Frankfurt. Richten wir den Blick auf diese jüngsten städtebaulichen Vorhaben. Lassen wir hier das Bild der "europäischen Großstadt" wiederauferstehen.

Architekten, die sich von Kritik betroffen fühlen, sprechen gern von "Populismus". Architektur ist nicht die Privatsache von "Künstlern" sie kann niemals die Privatsache von "Künstlern" sein, sondern ist eine öffentliche Angelegenheit. Sie war immer und bleibt auch heute nur einem Herrn verpflichtet: der Gesellschaft.

Historische Mitte Berlins
Programmatische Überlegungen für die Historische Mitte Berlins und strategische Projekte zur Umsetzung eines Stadtentwicklungsprogramms gibt es nicht.  Ohne wirklichen Zusammenhang wurden zahlreiche größere und kleinere Projekte entwickelt. Richtungsloses Herumstochern – mal hier, mal dort auf einzelne Bauvorhaben bezogene Bebauungspläne.

Es ist immer wieder überraschend, wie unklar die Perspektiven für die Stadtmitte sind. Zwar wird erregt diskutiert, ob der große Freiraum am Fernsehturm wieder bebaut werden soll oder nicht. Die vom Senat veröffentlichten Leitlinien fanden in der Zevilgesellschaft keine Beachtung. Das Ergebnis des Landschaftswettbewerbes ist als Provisorium wahrgenommen worden.

Programm der GHB
Vor weiteren Überlegungen ist eine Machbarkeitsstudie zu beauftragen und ein ausführlicher Stufenplan zu erarbeiten.
Vor einem noch durchzuführenden Städtebauwettbewerb sind

  • Die historischen Grundlagen zu erarbeiten und
  • Die archäologischen Ausgrabungen sind im Quartier zwischen Fernsehturm und Spree aufzunehmen und
  • Ein Häuserbuch ist zu erstellen.
  • Vorstellung der städtebaulichen Ideen in der Öffentlichkeit
  • Die Beteiligung der Bürger ist anzuregen, indem die Zielvorstellungen publiziert und in einer permanenten Ausstellung öffentlich gezeigt werden.
  • Vorstellung eines Nutzungs- und Verkehrskonzepts
  • Die Planung sollte eine Mischung von Gewerbenutzungen mit hohem Wohnanteil und kulturellen Einrichtungen ausweisen. Die breiten Durchgangsstraßen der autogerechten Stadt sind zurückzubauen, um eine verbesserte Aufenthaltsqualität zu schaffen.

Der Senat hat es bisher nicht vermocht, ein Stadtentwicklungsprogramm mit Prioritätensetzungen zu erstellen.

Die große städtebauliche Herausforderung - die weitere Gestaltung des Stadtkerns zwischen Fernsehturm und Spreekanal sowie zwischen Hackeschem Markt und Petriplatz - ist umgehend mit dem Aufstellen eines Masterplanes anzupacken. Der Meinungsbildungsprozess in der Stadtgesellschaft ist zu fördern.