Die geplante Bauakademie soll nach Vorstellung des Gründungsdirektors, Guido Spars, „ein Leuchtturmprojekt“ werden. Das erste Interview zur neuen Aufgabe
Tagesspiegel vom 01.11.2021

Herr Professor Spars, Sie sind seit September als Gründungsdirektor der Berliner Bauakademie tätig. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen?

Aktuell befinden wir uns im Aufbauprozess. Es werden neue Strukturen aufgebaut und neues Personal eingestellt, um die inhaltliche Arbeit der Stiftung sichtbarer zu machen. Wir stärken den wissenschaftlichen Bereich und haben dazu vier Stellen geschaffen, wovon bereits zwei zum kommenden Monat besetzt werden. Auch die Baumanagementstelle wird neu besetzt, sodass wir nach und nach ein Team zusammenstellen, das dieser komplexen Aufgabe gewachsen ist.

Damit sind wir gleich mitten im Thema. Rund um die Debatte zur Bauakademie bemäkelte die Tageszeitung taz im Sommer: „Bitte nicht noch eine Kopie“. Wie zeitgenössisch wird die Gestaltung der neuen Fassaden ausfallen? Was spricht gegen eine kritische Rekonstruktion der äußeren Hülle?

Der Begriff des Zeitgenössischen kann schnell in die Irre führen. Er ist definiert als das, was die Zeitgenossen bauen. Also genau genommen ist in der Architektur damit kein spezieller Baustil, keine Konstruktion und auch kein Material verknüpft. Und wenn es darum geht zu beschreiben, wie das Gebäude aussehen wird, möchte ich zunächst beschreiben, wie der Weg dorthin sein wird: Neubauten haben heutzutage wahnsinnig viele Anforderungen und wir wollen ein Gebäude bauen, das in die Zukunft weist. Dafür gibt es Kriterien, die einleuchtend sind. Es soll sich städtebaulich einpassen und ein klimapositives und energieeffizientes Gebäude werden, welches das BNB-Siegel (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesbauten, die Red.) erhalten soll.

Wir wollen aber auch bauhistorische Kriterien beachten, die der Vorgeschichte des Standorts angemessen sind. Zusätzliche gelten ökonomische und viele weitere Ziele. Deswegen wird ein interdisziplinäres Gremium aus Experten diese Kriterien ausleuchten und durchdiskutieren, vor allem auch ihre Abhängigkeiten zueinander. Was bedeutet ein klimapositives Gebäude für die Dachgestaltung? Wie soll die Fassade gestaltet werden und wie geht man nachhaltig mit den Fundstücken um? Erst dann lassen sich die Anforderungen klar definieren, bevor daraus ein Ausschreibungstext für einen internationalen Wettbewerb formuliert werden kann.

Moderne Standards, wie zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, sprechen doch nicht gegen eine historische Rekonstruktion der Fassade. Wäre es theoretisch denkbar, dass es ähnlich läuft wie beim Schloss: Fassaden werden einerseits historisch nach aktuellen technischen Vorgaben nachgearbeitet und andere Gebäudeteile freier gestaltet?

Eine Rekonstruktion ist nicht ausgeschlossen, ein hybrides Gebäude, wie das Schloss eines ist, auch nicht, weil der Weg derzeit ja noch völlig offen ist. Insofern lassen wir uns auf den Prozess ein und warten auf ein Ergebnis, welches die beste Performance aus diesen Kriterien erbringt. Aber wir wissen auch ungefähr, was wir im Inneren schaffen wollen und es ist mir wichtig, dass das mit dem Äußeren bestmöglich korrespondiert. Wir wollen ein offenes, transparentes Haus mit räumlicher Flexibilität. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Es kann ein hybrides Gebäude werden, in dem rekonstruktive Elemente eine Rolle spielen können, aber nach Abwägung aller Anforderungen an das Gebäude.

Sie haben das Innere bereits angesprochen. Was spricht denn eigentlich gegen ein durch die Schinkelschen Proportionen und Raster vorgegebenes Inneres, das die von Ihnen angestrebte neutrale Nutzung zuließe?

Da spricht überhaupt nichts dagegen. Die Kubatur und die Proportionen, wie sie von Schinkel gedacht waren, passen sehr gut an diesen Ort. Die Umgebung hat sich sogar daran angepasst. Es gab Wettbewerbe, die diese Kubatur antizipiert haben. Gerade das Raster ist, ebenso wie die industriell vorgefertigte Fassade, ein sehr innovatives Element gewesen. Das sind tolle Sachen, die auf den großen Innovator Schinkel zurückgehen. Und es macht durchaus Sinn, das Raster mit der flexiblen Raumnutzung zu verknüpfen.

Guido Spars, Gründungsdirektor Bundesstiftung Bauakademie, steht bei einem Pressetermin auf dem Gelände der Bauakademie auf dem...

Eingangs erwähnten Sie die neugeschaffenen Stellen. Wer hat den Auftrag, das bauliche Konzept anzuschieben?

Wir werden eine eigene Bauabteilung haben und eine(n) Baumanager*in einstellen. Wir sind die Bauherren, aber für uns baut -aller Voraussicht nach- das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Die sind ein sehr erfahrener und zuverlässiger Partner an dieser Stelle. Die Aufgaben sind so vielfältig, das könnten wir als Stiftung allein nicht stemmen. Wir steuern das Projekt, bringen unsere Ideen und Vorstellungen ein, aber das BBR wird für uns bauen. Es sind sehr herausfordernde Baumaßnahmen, die einen langen Planungsprozess und internationalen Wettbewerb erfordern. Das will gut gesteuert sein, aber ich bin ganz zuversichtlich, dass das BBR das beherrscht.

Welche weiteren Stellen sollen noch besetzt werden?

Die Stiftung möchte als Wissenschaftsplattform agieren und soll im Grunde in den Themenfeldern des nachhaltigen Planens und Bauens, Digitalisierung, Innovationen und Kreislaufwirtschaft im Bauwesen neue Impulse setzen. Dort werden diese vier Stellen, die auch ähnlich beschrieben sind, besetzt. Sie heißen Nachhaltigkeit und Innovation im Bauwesen, Digitalisierung im Bauwesen, Circular City und eine vierte Zukunftsforschung und Stadtentwicklung .

In diesen Themenfeldern wollen wir Forschungsergebnisse bündeln und zielgerecht in die praktische Ebene der Bauwirtschaft hineinbringen. Langfristig möchte ich einen sogenannten Thinktank aufbauen. Das bedeutet: Wir holen Experten von außen dazu und überlegen, wie wir ein sinnvolles Zukunftsszenario in diesen Aufgabenfeldern erreichen können. Dafür brauchen wir auf der Ebene unter dem Thinktank Arbeitsgruppen, die gemeinsam mit Praktikern Wege suchen, wie diese Dinge praktisch umgesetzt werden können. Denn aufgrund der klein- und mittelständischen Strukturen in der Bauwirtschaft, ist sie nicht so forschungs- und entwicklungsintensiv. Da bieten wir uns als Partner an, der wie ein Katalysator das Wissen in die Branchen hineinbringt.

Da Sie den Prozess des Bauens ansprechen: Würde nicht gerade hier eine Zusammenlegung der Bundesstiftung Bauakademie mit der Bundesstiftung Baukultur sehr sinnvoll sein, zumal sich die Aufgabenspektren überschneiden und Doppelstrukturen vermieden werden könnten? Im Bundestagsausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen haben Sie die komplementäre Funktion beider Stiftungen hervorgehoben. Wenn eine Zusammenlegung nicht möglich ist, wie wollen Sie die Aufgabengebiete trennen, besonders in Bezug auf die von Ihnen zuvor erwähnte Innovationforschung im Bauwesen?

Die beiden Stiftungen passen sehr gut zusammen, sie ergänzen sich und finden eine gute Arbeitsteilung. Die Bundesstiftung Bauakademie kann sehr stark in die Bauwirtschaft und die Bauindustrie hineinwirken und hat damit eine andere Stoßrichtung. Zusätzlich füllen wir mit unserem stärker wissenschaftlich forschungsorientierten Profil ein bisheriges Vakuum. So kann unsere Stiftung die Bau - und Immobilienwirtschaft durch die Bündelung von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen unterstützen. Und auch mit Ausbildungsinitiativen in Richtung Fachkräftemangel, passend zum Akademiebegriff in „Bauakademie“. Ich finde an der Stelle muss man sich eingestehen, dass wir derzeit sehr viele Herausforderungen im Bereich des Planens und Bauens haben.

Wir stehen einem Klimawandel gegenüber, der den Gebäudebestand und die Neubauten extrem deutlich adressiert. Der Gebäudebestand ist für etwa 14 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich und die Einsparziele sind ehrgeizig. Es gibt so viel Herausforderungen und Aufgaben in diesem Bereich, sodass ich glaube, dass beide Stiftungen perfekt nebeneinander arbeiten können. Sie können sich ergänzen ohne Ressourcen durch Doppelstrukturen zu verschwenden. Ich sehe das ganz entspannt, weil wir im Grunde ein völlig anderes Profil, eine andere Stoßrichtung haben.

Sie haben die neuen Aufgaben, die Klimawandel und technologische Entwicklungen evozieren – Stichwort Digitalisierung – betont. Gleichzeitig haben Sie die Losung mitbekommen: „So viel Schinkel wie möglich.“ Aber was hat der dann überhaupt noch mit alledem zu tun?

Schinkel ist natürlich der Garant beziehungsweise das Vorbild, was Innovationsfähigkeit angeht. Wenn man sich überlegt, dass dieser Mann zu seiner Zeit gegenüber des barocken Stadtschlosses e in Gebäude errichtet hat, mit einer industriell vorgefertigten unverputzten Ziegelfassade und einem Stützraster. Dann wird klar, wie innovationsorientiert dieser Mensch war und deswegen „So viel Schinkel wie möglich“. Zum einen wollen wir ihm damit Respekt zollen, zum anderen darf man Schinkel nicht nur aus baulicher Perspektive sehen, sondern man sollte auch den Geist Schinkels als großen Innovator begreifen . Meine Frage, die ich damit an Sie richten möchte: Wie würde Schinkel denn heute ein innovatives Gebäude bauen ? Die Beantwortung dieser Frage ist die Aufgabe unserer heutigen Generation. Dafür gilt es Wege und Lösungen zu finden. Ein Suchprozess auf den wir uns mit Hilfe des wissenschaftlichen Profils und dem internationalen Wettbewerb einlassen. Ich traue den Architektinnen und Architekten eine ganze Menge zu und erwarte tolle Ergebnisse.

Kommen wir zurück auf weitere Schwerpunkte Ihres Schaffens. Ist analog zum Humboldtforum eine gesonderte Betreiber- und Veranstaltergemeinschaft vorgesehen oder bleibt das Geschäft in Ihren Strukturen?

Grundsätzlich finde ich es ganz gut, so etwas in der eigenen Hand zu behalten. Wobei wir ehrlich sagen müssen, wir wissen bisher nicht mal, wie das Gebäude am Ende funktionieren wird. Deshalb halte ich es für etwas verfrüht, sich bereits jetzt Gedanken über eine Betriebsgesellschaft zu machen. Aber allein aus der Idee heraus, eine Akademie der Akademien werden zu wollen, alle Veranstaltungen, Ausstellungen und Kongresse sollen zum Thema Planen und Bauen sein, da wollen wir die Vermietung der Räume auch in der eigenen Hand behalten. Aber wie es im Endeffekt wirklich wird, und ob wir diese Aufgabe in die Hände andere Partner legen werden, können wir erst im weiteren Verlauf sagen.

Eine Akademie der Akademien, das könnte doch auch nach dem Vorbild der Leopoldina funktionieren. Wie legen Sie die internationale Kooperation an?

Wir versuchen mit dieser Denkfabrik auch international zu sein. Es werden mit Sicherheit internationale Experten in unserem Thinktank sitzen. Wir werden auch internationale Beispiele auf unsere Wissensplattform holen, bearbeiten und davon lernen. Die Internationalität ist sehr wichtig, aber wir werden Forschungsergebnisse anderer bündeln. Mir geht es nicht darum, dass wir eine Institution neben eine andere Institution stellen und damit doppelte Arbeit machen. Ich identifiziere auf der Ebene der Forschungsergebnisse eine Diffusionsschwäche.

Es ist viel Wissen vorhanden, das diffundiert aber nicht in die Branchen, die es umsetzen müssen. Und das ist mit Bezug auf den Klimawandel ein großes Problem, weil wir jetzt schnell zu Ergebnissen kommen müssen. Und darin sehe auch unsere Aufgabe als Katalysator, dieses Wissen zu bündeln, aber es zielgerichtet zu adressieren, und in gemeinsamen Arbeitsgruppen mit der Praxis zu Ergebnissen zu kommen. Diese sollen dann über eine Plattform ausgespielt werden, die auch der digitalen Zeit gerecht wird. Eine einfache Internetpräsenz ist heute nicht mehr ausreichend. Wir brauchen eine Plattform, auf der man kollaborieren kann.

Die historische Bauakademie stand in unmittelbarer Nähe des Stadtschlosses in der Mitte Berlins , hinter dessen rekonstruierter...

Gedanklich scheint die Akademie bereits auf sicherem Grund zu stehen, aber wie ist es mit den Finanzen? Und wie werden zusätzlichen Baukosten getragen? Im Jahr 2017 wurden 62 Millionen Euro für den Bau bewilligt, doch in der Zwischenzeit ist die Kalkulation aufgrund der Pandemie, den unterbrochenen Lieferketten und der dadurch angespannten Lage auf dem Baustoffmarkt wohl hinfällig.

Wir müssen zuerst die Ausgangslage kennen. Bisher kennen wir nicht mal das Ergebnis des Wettbewerbs. Seriöserweise kann man auf dieser Grundlage keine Aussage zu der Auskömmlichkeit der Mittel machen, die großzügigerweise bereits vom Bundestag zur Verfügung bereitgestellt werden. Ich kann aber garantieren, dass der Aspekt der Wirtschaftlichkeit auch ein Kriterium ist, auf dem das Gebäude gründet. Wir sind gut ausgestattet und haben vom Bundesministerium des Inneren ein auskömmliches Budget für die laufende Arbeit, worüber wir sehr froh sind.

Im Herbst des Jahres 2001 - 39 Jahre nach dem Abbruch der Bauakademie - wurde nach einer längeren Planungszeit das Projekt "...

Finanzielle Defizite sind immer ein Risiko. Ist analog zur Bundesstiftung Baukultur die Akquisition von Spenden und Zustiftungen über einen Förderverein geplant?

An dieser Stelle würde ich den Begriff der Drittmittel verwenden. Also es macht Sinn, wenn man die Arbeit der Stiftung perspektivisch sieht, insbesondere in ihrer starken Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und anderen privaten Akteuren, auch einen Drittmittelbereich aufzubauen, der uns aber unabhängig sein lässt. Wir wollen keine Abhängigkeiten, wir wollen lediglich zusammenarbeiten. Welchen Anteil diese Drittmittel letztlich ausmachen beziehungsweise wie groß der Bedarf ist, wird sich in Zukunft zeigen.

Inwieweit man für diese Struktur einen Förderverein braucht, ist derzeit noch eine offene Frage. Wir sind mit unserer institutionellen Arbeit noch ganz am Anfang und müssen dann analysieren wo Bedarfe entstehen und welche Angebote kommen. Wir schätzen den Förderverein sehr und freuen uns, dass sich schon vor Jahrzehnten Menschen zusammengefunden haben, die mit Herzblut und Engagement einen Förderverein für die Bauakademie aufgebaut haben. Denen bin ich sehr zu Dank verpflichtet, den ich hiermit zum Ausdruck bringen möchte.

Für wie realistisch schätzen Sie es ein, die Bauakademie zum 80sten Jahrestag ihrer Teilzerstörung am 3. April 2025 in Betrieb zu nehmen?

Das wäre sehr schön, aber ich halte es eher für unrealistisch. Wir werden uns bemühen, eine tragfähige Planung aufzusetzen, die dann tatsächlich zu einer Zeitachse führen wird. Wichtig ist, dass es voran geht.

Der Tagesspiegel im Inernet: www.tagesspiegel.de