Mein Ärger
B.Z. vom 12.10.2021 von Gunnar Schupelius

Der gerechte Zorn
Das Stadtschloss wurde wiederaufgebaut (2013 - 2021). Es schließt die Lücke im alten Zentrum, die 1950 durch den Abriss des Originalgebäudes gerissen wurde.

Das Schloss heißt nun "Humboldt Forum" und soll ein Ort der fortschrittlichen Bildung sein, an dem die Kulturen der Welt gleichberechtigt gezeigt werden. Es sei das "ambitionierteste Kulturvorhaben unseres Landes", sagte die Bundesbeauftragte für Kultur, Monika Grütters, zur Grundsteinlegung 2013. Als Gründungsintendant wurde 2015 der Direktor des British Museum, Neil Mac-Gregor, berufen. Er bezeichnete das Humboldt Forum als "große Maschine, in der ein neues Weltbild gestaltet werden kann".

Neil Mac-Gregor verschwand 2018, ohne das neue Weltbild gestaltet zu haben. Ihm folgte Hartmut Dorgerloh von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Er hielt den Ball deutlich flacher, allerdings so flach, dass man kaum noch weiß, was das Humboldt Forum eigentlich darstellen soll.

Im ersten Stock trifft man auf die sonderbare Ausstellung " Berlin Global", mit der sich die Hauptstadt als linksradikale Demound Party-Metropole präsentiert.
Im Stockwerk darüber ist das Ethnologische Museum aus Dahlem eingezogen, jetzt aber mit erhobenem Zeigefinger. Hier wird die koloniale Schuld Deutschlands in Afrika verarbeitet. Über dem Eingang steht in großen Lettern: "I have a white frame of reference and a white worldview" ("Ich habe einen weißen Bezugsrahmen und eine weiße Weltsicht").

Alle Objekte werden hier mit der komplizierten oder skandalösen Geschichte ihres Erwerbs gezeigt. Auch das unvermeidliche Luf-Boot aus Papua-Neuguinea steht da, versehen mit dem Hinweis, dass es nicht freiwillig ausgehändigt wurde. Am Ende fragt man sich, warum die Exponate überhaupt noch gezeigt werden, wo doch alles so belastet ist.

Im dritten Stock schließlich befindet sich das Museum für Asiatische Kunst, zweifellos schön, aber eben auch schon bekannt.
Das Schloss mit seiner kunstvollen und gewaltigen Fassade wurde, so scheint es, irgendwie befüllt, frei nach dem Motto: "Wer hat noch was übrig?" Es ist weder das "ambitionierteste Kulturvorhaben unseres Landes" geworden, noch Mac-Gregors "große Maschine". Es ist eine Mischung aus Langeweile und aggressiver Mahnung. Wer will das sehen? Und wer soll hier belehrt, ermahnt und beschämt werden?

Einziger Lichtblick bleibt der Schlüterhof im Schloss mit seinen schönen Skulpturen. Der originalgetreue Wiederaufbau der Schloss-Fassade wurde von Bürgern geplant und finanziert, angeführt vom Hamburger Unternehmer Wilhelm von Boddien. Diese Idee war erfolgreich. Die innere Gestaltung folgte einem Plan der Politik. Das ist gründlich danebengegangen.

Die B.Z. im Internet: www.bz-berlin.de