Kurz vor dem Ende dieser Legislaturperiode hat der Senat Regula Lüscher in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Berliner Morgenpost vom 22.06.2021 von Isabell Jürgens

„Der Senat von Berlin hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin für Stadtentwicklung , zum 31. Juli 2021 in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen“, heißt es in einer Mitteilung, die die Senatskanzlei am Dienstagmittag versendete. Vor allem der Zeitpunkt des abrupten Rückzugs der umstrittenen Stadtplanerin überrascht.

„Als Stadtentwicklungssenator habe ich mit Regula Lüscher eine Senatsbaudirektorin an meiner Seite gehabt, die mit viel Erfahrung, Einfühlungsvermögen, kreativen Ideen auch für Prozesse der Beteiligung, viel Charme und Durchsetzungsvermögen in einem manchmal rauen Umfeld gezeigt hat, dass sie ihre Frau steht“, würdigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die 59-Jährige. Die Schweizerin, die seit 2016 auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist seit 2007 Senatsbaudirektorin in Berlin.

„Gerade in Berlin will das etwas heißen“, sagte Müller mit Blick auf die 14-jährige Amtszeit. Senatsbaudirektorinnen und -direktoren prägten das Antlitz der Stadt und hinterlassen Dinge zum Anfassen, zum Diskutieren, zum Weitermachen, zum neu Ausrichten, zum darauf Aufbauen. „Alles das hat Regula Lüscher für Berlin geleistet. Mit dieser Leistung hat sie sich einen Platz im Herzen der Berlinerinnen und Berliner verdient“, so der Regierende Bürgermeister weiter.

Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von politischen Beamten ist ohne Angabe von Gründen und auch persönliches Fehlverhalten oder Dienstvergehen möglich. Im Gegensatz zu einer Entlassung wird ein Ruhegehalt gezahlt Meist wird die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand mit einem gestörten Vertrauensverhältnis begründet - dies ist aber im Falle Lüschers nicht der Fall.

„Lüschers Rache für die Schlossrekonstruktion“
In der Stadtgesellschaft war das Wirken der Senatsbaudirektorin jedoch durchaus umstritten. Anders als ihr Amtsvorgänger Hans Stimmann (SPD) lehnte die studierte Architektin historisierende Gebäude und insbesondere die Bezugnahme auf das Berliner Stadtbild vor dem Zweiten Weltkrieg weitgehend ab. Das trug ihr vor allem bei der Gestaltung der Umfeldes des teilrekonstruierten Berliner Schosses viel Kritik ein.

So setzte sie als Preisrichterin eine minimalistisch reduzierte Umfeldgestaltung für das Humboldt Forum durch und lehnte die Rückkehr sowohl des Neptunbrunnens, aber auch die Begrünung der nunmehr durchgehend gepflasterten Schlossplatzes ab. Schlossfreunde- und Förderer bezeichnen die Umfeldgestaltung deshalb auch als „Lüschers Rache für die Schlossrekonstruktion“.

Immer wieder sorgte auch das von Regula Lüscher eingesetzte und geleitete Baukollegium für Ärger. Das Gremium, in dem von Lüscher ausgewählte Architekten stadtbildprägende Bauvorhaben in der Stadt beraten, sei weder demokratisch legitimiert, seine Ergebnisse nicht transparent und seine Ergebnisse würden stets „langweilige Lochfassaden“ hervorbringen. Auch das von der Senatsbaudirektorin jüngst vorgelegte „Entwicklungskonzept für die City West“, das den Bau von Hochhäusern im Kernbereich um den Breitscheidplatz sowie am Ernst-Reuter-Platz verhindern will, ist umstritten.

„Ich bin sehr stolz, was ich mit und für die Menschen, die Baukultur und die Stadt Berlin erreicht habe“, teilte Lüscher am Dienstag mit. Mit mehr als einem weinenden Auge beende sie ihre Tätigkeit „in diesem faszinierenden Amt, welches mich all die Jahre sehr erfüllt hat“. Bis Ende Juli wolle sie nun ihre Arbeit mit „ungebrochen großer Motivation und täglicher Freude ausfüllen“.

Die 59-Jährige will eine Ausbildung im künstlerischen Bereich beginnen
Warum sie allerdings nicht wenigstens bis zum Ende dieser Legislaturperiode nach dem Wahlen am 26. September weitermache, begründet Regula Lüscher gegenüber der Berliner Morgenpost mit persönlichen Gründen. „Nach so langer Zeit habe ich andere Pläne, möchte wieder mehr künstlerisch tätig sein“, sagte die Senatsbaudirektorin. Und verrät: „Ich werde im September eine Ausbildung beginnen.“

Welchen Beruf sie erlernen will, möchte sie noch nicht sagen. „Ich habe dazu zwei unterschiedliche Angebote, beide im künstlerischen Bereich“, sagt Regula Lüscher. Der Ausbildungsort liege weder in der Schweiz noch in Berlin , sondern „irgendwo in Europa. Ich werde aber weiterhin Berlin treu bleiben und auch teilweise weiter in Berlin leben – zusammen mit meinem Mann“. 14 Jahre Fernbeziehung seien jedenfalls genug.

Die Stelle der Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin soll erst nach den Wahlen wiederbesetzt werden. Die Stellvertretung sei sichergestellt, heißt es in der Mitteilung der Senatskanzlei.

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