Senat will die Bebauung verbieten und den öffentlichen Zugang garantieren. Alte Industrieflächen werden renaturiert
Berliner Morgenpost vom 21.05.2021 von Jens Anker

Berlin Die rot-rot-grüne Landesregierung will Berlins Ufer vor der Privatisierung und Bebauung schützen. Künftig sollen überall zehn Meter breite Uferstreifen erhalten und öffentlich zugänglich bleiben. „Freie Ufer sind eine Erholungsfläche und ein wesentliches Merkmal einer lebenswerten Stadt“, sagt einer der Urheber der Senatspläne, Daniel Buchholz (SPD). „Es gibt keinen politisch plausiblen Grund, Berliner Ufer zu privatisieren.“

Alte Industrieflächen, wie sie noch in Spandau und Treptow-Köpenick bestehen, sollen zudem renaturiert werden. „Mit dem Wachstum der Stadt, den vielen Neuversiegelungen von Flächen und insbesondere der starken Verdichtung im Bereich der Innenstadt-Spree sind die Ufer von Spandau bis Köpenick freizuhalten, ob als Wegebeziehung, Frischluftschneisen, Frei- oder Erholungsräume“, heißt es in dem Antrag, der am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eingebracht wurde.

„Im Sinne einer sozialen Aufteilung des öffentlichen Raums soll dieser Zugang allen Berlinerinnen und Berlinern gewährt werden“, sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Billig. „Mit dem Antrag bekennen wir uns zur Ausweitung öffentlicher Grünräume und der Rückgewinnung der Berliner Gewässer für alle“, ergänzt die Stadtentwicklungsexpertin der Linken, Katalin Gennburg.

Ufer-Grundstücke bieten besonders hohe Rendite

Aus Sicht der Regierungskoalition ist der Schutz der Ufer notwendig, weil immer mehr Investoren Flächen mit eigenem Zugang zum Wasser erwerben wollen. „Für Investoren ist die Versuchung groß, maximale Rendite durch private Uferzugänge zu erzielen und gegen öffentliche Uferwege mit allen rechtlichen Mitteln vorzugehen – oder wenigstens einen privaten Bootsanleger durchzusetzen“, heißt es bei SPD, Linken und Grünen.

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Streit um Bebauungspläne vor allem an den Ufern von Spree und Havel gegeben, wie zum Beispiel dem Mediaspree-Projek t zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke in Friedrichshain-Kreuzberg, das die Bebauung weiterer Teile des Spreeufers auf einer vorsieht, die auch schon weit fortgeschritten ist. Aber auch viele Neubauprojekte in Spandau entlang der Havel stadtauswärts.

Der Naturschutzbund Berlin (Nabu) fordert einen besseren Schutz der Ufer seit vielen Jahren. Auch für die Artenvielfalt seien offene Uferflächen wichtig. So haben sich seit 1994 auch wieder Biber in Berlin entlang der Havel und der Spree angesiedelt. Ihr Bestand ist jedoch durch die zunehmende Bebauung gefährdet.

Als Vorbild für die Berliner Landesregierung gilt das Nachbarland Brandenburg, wo frei zugängliche Ufer durch Bebauungspläne gesichert und rechtlich durchsetzbar sind. „Die Koalition spricht sich daher mit Nachdruck dafür aus, öffentliche Räume an den Berliner Gewässern zu sichern und zurückzugewinnen und damit den öffentlichen Stadtraum insgesamt zu vergrößern“, fordern SPD, Linke und Grüne. „Insbesondere das Heranrücken von Bauvorhaben an die Gewässer mit Aussicht auf hohe Renditen stehen heute dem Freiraumgenuss in Spree-Athen entgegen“, sagt Gennburg.

Ursprünglich hatte die Koalition auch vorgesehen, Enteignungen bereits privatisierter Flächen durchsetzen zu lassen, hat dann aber – auch wegen der aktuellen Diskussion um die Enteignung großer Immobilienkonzerne – am Ende darauf verzichtet. Die Stadt Potsdam versucht seit Jahren, den Uferweg am Griebnitzsee wieder öffentlich zugänglich zu machen. Zwei Mal scheiterte die Stadt vor Gericht, ein dritter Versuch soll in diesem Jahr gestartet werden.

Die Opposition in Berlin lehnt den Antrag ab. Sie wittert hinter dem Wunsch, die Ufer freizuhalten den Versuch, auch bereits privatisierte Ufer-Grundstücke zu enteignen.

Schon vor 100 Jahren gab es Verunstaltungsverordnungen

Ein Bebauungsverbot für Uferflächen ist für Berlin nicht neu. Schon vor mehr als 100 Jahren wurden in der Region Berlin -Brandenburg mit sogenannten „Verunstaltungsverordnungen” Schutzvorschriften gegen die Bebauung von Seeufern erlassen.

1978 legte der West- Berliner Senat eine Uferwegekonzeption vor und erklärte, die Öffnung der Ufer für sehr viele Menschen bringe sehr viel mehr Nutzen und müsse deswegen gegen private Nutzungen durchgesetzt werden. Damals wie heute lautete die Begründung, dass vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt auch Erholungsflächen für die Bewohner geschaffen werden müssten, die nicht über einen eigenen Balkon oder Garten verfügen.

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