Bund der Steuerzahler kritisiert die hohen Kosten für die Flaniermeile – unter anderem für Evaluation und Werbung
Berliner Morgenpost vom 21.05.2021 von Julian Würzer

Seit Ende August ist die Friedrichstraße in Berlin -Mitte für den Autoverkehr teilgesperrt. Seither dürfen Radfahrer in der Mitte der Straße fahren, während sich Fußgänger drumherum ausbreiten können. Flaniermeile Friedrichstraße heißt das Projekt, das auf dem 500 Meter langen Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße angelegt ist. Ursprünglich wollte man damit der früheren Shoppingmeile neues Leben einhauchen, auch wegen der Corona-Pandemie funktionierte das nur mäßig. Dennoch verlängerten der Senat und der Bezirk Mitte den Versuch bis Ende Oktober 2021.

Nun sind erstmals Zahlen des Pilotprojekts bekannt geworden. Während der ersten Projektphase bis zum 31. Januar belaufen sich die Kosten für den Verkehrsversuch auf 1.076.100 Euro. Das geht aus einer Antwort des obersten Verkehrsplaners Hartmut Reupke an den Bund der Steuerzahler hervor. Der Berliner Landesvorsitzende Alexander Kraus hatte die Senatsverkehrsverwaltung danach gefragt. Das Schreiben liegt der Berliner Morgenpost vor.

Vier Meter breiter Radfahrstreifen
Radfahrer können auf einem vier Meter breiten Radfahrstreifen über die Friedrichstraße fahren. Der ist mit einem gelben Klebestreifen markiert. Zudem stehen entlang des Versuchsabschnitts Tempo-20-Schilder, die Radfahrer an das geltende Tempolimit erinnern sollen. Die Kosten für die Markierungen und Beschilderungen belaufen sich bis Ende Januar auf 111.000 Euro. Während der zweiten Projektphase bis Ende Oktober werden nochmals Kosten entstehen. Einerseits ging der gelbe Klebestreifen ab, andererseits gibt es neuerdings zwei Fußgängerwege über den Radstreifen – natürlich entsprechend ausgeschildert.

Ein zweiter großer Kostenpunkt ist die Gestaltung der Friedrichstraße . Rund 300.000 Euro haben die Steuerzahler dafür ausgegeben. Besucherinnen und Besucher der Friedrichstraße sollen auf sogenannten Parklets oder auch Stadtmöbeln die Ruhe auf der Straße genießen oder dort ihr Mittagessen verzehren können. Zwei solcher Parklets sind aus einem Verkehrsversuch auf der Bergmannstraße in Kreuzberg nach Mitte transportiert worden. Weitere vier wurden aufgebaut. Der Transport, die Prüfung und die Montage sowie die regelmäßige Reinigung werden in dem Schreiben an den Bund der Steuerzahler mit 93.000 Euro beziffert.

Weitere 15.574 Euro hat der Senat für den Transport und Aufbau der Showcases ausgegeben. Dort können Anrainerinnen und Anrainer ihre Produkte präsentieren. Fünf der Glasvitrinen stammen aus dem Bestand des Bezirksamts Mitte, weitere fünf wurden wegen der großen Nachfrage gekauft. Unter den Kostenpunkt fallen auch Reparaturen der Vitrinen. Verkehrsplaner Hartmut Reupke zufolge gab es bislang einen Fall von Vandalismus.
Zur Gestaltung der Friedrichstraße gehören auch 65 Bäume und deren Bewässerung. Das macht einen Kostenpunkt von 44.223 Euro. Zudem gab man für die Stromversorgung für Aufbauten, etwa der Foodtrucks 26.863 Euro aus. Die Weihnachtsbeleuchtung kostete 57.820 Euro und weitere technische Dienstleistungen belaufen sich auf 52.800 Euro. Der größte Bilanzposten des Projekts war bis Ende Januar die Projektevaluation. Im Rahmen des Versuchs seien Verkehrsdaten erhoben sowie ausgewertet worden. Sieben Zählungen an jeweils 42 Zählpunkten hätte es gegeben.

In seiner Antwort gibt Reupke den Kostenpunkt mit 406.875 Euro an. Mit der Analyse und Auswertung der erhobenen Verkehrsdaten seien nochmals Kosten in Höhe von 48.571 Euro entstanden. Weitere Kosten von 2000 Euro seien für Luftschadstoffmessungen ausgegeben worden. Die Befragung von Passantinnen und Passanten kosteten weitere 24.500 Euro.

Ziel laut Verkehrsplaner ist die Stärkung des Standorts
Die Kommunikation des Projekts war nicht gerade günstig. Allein für Postwurfsendungen für Anwohnerinnen und Anwohner und zwei Netzwerktreffen zahlte man 1398 Euro. Die Marketingkampagne für den Verkehrsversuch durch eine Agentur ließ sich der Senat 191.437 Euro kosten. Das Ziel ist laut Reupke die Stärkung des Standorts gewesen. Allerdings konnten die Kosten um rund 50 Prozent gesenkt werden, da europäische Fördermittel genutzt werden konnten.

Der Bund der Steuerzahler kritisierte die hohen Kosten für das Projekt. „Dass hier zwei Drittel der Kosten für Werbung und Evaluation verwendet werden, halte ich für ein Feigenblatt“, sagte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Alexander Kraus der Berliner Morgenpost. Statt das Geld in Gutachten und Werbung zu investieren, wäre es Kraus zufolge besser gewesen, das Geld in die Sanierung der maroden Radinfrastruktur zu investieren.

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