Auenland für das Metropolenzentrum: Aus der ersten Wettbewerbsphase der Landschaftsarchitekten gehen weitgehend beliebige Parkentwürfe hervor.
Berliner-Zeitung vom 23.04.2021 von Maritta Tkalec

Berlin –Mitte: Auenland mit Wäldchen, Wiesen, Wasserwelten und Raseninseln, wahlweise dazu Sport- und Sitzpockets, Sitztreppe zur Spree, Platz zum Drachensteigenlassen, Schach- oder Basketballspielen. Gerne auch ein Aufmarschplatz für Demos vor dem Roten Rathaus oder ein Eckchen fürs Stadtgärtnern.

So stellen sich die Entwürfe der Landschaftsarchitekten dar, die aus der ersten Phase des Wettbewerbs zur Neugestaltung der Alten Mitte von einer Jury in die nächste Runde gewählt wurden. Die Teilnehmer hatten die Vorgaben aus 800 Seiten Ausschreibung und zehn Bürgerleitlinien abzuarbeiten, viel Spielraum blieb also nicht. Man durfte keine großen Überraschungen oder kreative Höhepunkte erwarten.

Immerhin waren Bürgerinnen und Bürger am Donnerstag zwischen 14 und 22 Uhr (nach Registrierung) eingeladen, durch ein digitales Schlüsselloch auf die nominierten Entwürfe zu schauen und Anmerkungen zu machen. Nur wenige haben die Möglichkeit genutzt. Ein klarer Favorit schälte sich nicht heraus.

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Leider verhängte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Veranstalterin ein Abbildungsverbot. Das war den Wettbewerbsregeln geschuldet, aber so kann kein Beispiel gezeigt werden – weder eines, hinter dem nur ein schlichter Parkgedanke steht noch eines mit „Idee dahinter“. Letzteres hätte der Entwurf mit dem Namen Sponge City sein können – Schwammstadt. Will heißen, die Stadt soll Regen speichern können für Dürrezeiten. Ein Kommentator fand, der vorgeschlagene Sumpfwald habe keinen historischen Bezug – dabei kommt der Name Berlin doch von Brlo, slawisch für Ort im Sumpf.

Es gibt Entwürfe mit Bezügen zu diversen gesellschaftlichen Epochen. Da werden Straßenzüge von Marien- und Heiliggeist-Viertel durch Bepflanzung sichtbar gemacht, oder die DDR-Hauptstadt lebt fast vollständig wieder auf mitsamt Marx-Engels-Forum und den Polit-Ahnen im Riesenkreis.

Und was ist im Winter?

Geht es nach den in die zweite Runde gelangten Entwürfen, ist nicht hundertprozentig sicher, dass der Schlossbrunnen, auch Neptunbrunnen genannt, an seinem Nachkriegsstandort bleibt. Etliche Vorschläge offerieren alternative Brunnen oder Wasserspielvarianten. Dann wäre der Weg frei für Neptuns Rückkehr an seinen Platz auf dem Schlossplatz.

Ansonsten fliehen die Entwürfe mehr oder weniger offensichtlich vor der vieldimensionalen Vergangenheit, indem sie die Geschichte überpflanzen und Grünanlagen schaffen, wie sie genau so im Treptower Park oder Volkspark Friedrichshain zu finden sein könnten. Legt man den Maßstab an, der für das historische Zentrum einer europäischen Großstadt gilt, muss man von ästhetischer Verzwergung sprechen.

Fragt sich zu guter Letzt: Was ist im Winter? Wenn es beim Freiluftschach unerbittlich zieht, die Wasserspiele abgeschaltet, die Wiesen braun, die Bäume kahl und die Treppenstufen an der Spree nass und kalt sind? Dann ist alles wie schon bisher.

Ein interessierter Bürger, wahrscheinlich ein junger, ließ sich dann doch noch zu einem Begeisterungsruf hinreißen: „Endlich mal was Cooles“, schreibt er über Netze, die ein Wettbewerbsteilnehmer über der Spree aufspannen will – zum Abhängen.

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