Diepgen & Momper
BZ vom 17. April 2021

Eberhard Diepgen: Nein, nur in Ausnahmefällen
Der Berliner öffentliche Personennahverkehr mit S- und U-Bahnen, der Straßenbahn und den Bussen soll sich gegenseitig ergänzen und dabei die Stadtstruktur, den Charakter der verschiedenen Kieze und der Wohnbereiche beachten. Weite Strecken können mit S- und U-Bahn zurückgelegt werden. Wenn der Fußweg von der Haltestelle zu weit ist, soll es ein ergänzendes Angebot durch Bus oder Straßenbahn geben.
Bemerkenswert für das Verkehrsangebot ist dabei, dass die Entfernungen zwischen den Haltestellen bei Bahnen und Bussen sehr unterschiedlich geplant sind. Bei der S-Bahn sind sie am längsten, bei den Bussen (Ausnahme sind die Schnellbusse) am kürzesten und bieten daher von der Verkehrsplanung den kürzesten Weg von Haltestelle zur Wohnung. Hier hat der Bus also seine Aufgabe.
Für den Weg in einen dicht besiedelten Wohnbereich erscheinen mir die immer größer und länger werdenden Straßenbahnen außerdem immer weniger geeignet. Straßenbahnen gehören auf eine breite Straße, möglichst mit Mittelstreifen. Solche Straßen durchziehen die ganze Stadt, dort ist ein vernünftiges Neben- und Miteinander aller Verkehrsteilnehmer möglich. Straßenbahn, insbesondere im Ostteil, und Bus – so nach Kladow – haben zum Teil auch die Verbindung zu Außenbereichen der Stadt übernommen.

Aktueller Streitpunkt ist die Verlängerung der M10 zum Hermannplatz. Die Verlängerung selbst erscheint mir sinnvoll, ein Umsteigen in die U-Bahn nach Neukölln ist mit zeitaufwändigem Umsteigen verbunden. Den Weg der Straßenbahn durch den Görlitzer Park kann man sicher parkgerecht gestalten
Das Problem ist neben der Oberbaumbrücke die Falkensteinstraße. Die Straßenbahn würde zulasten der Anwohner und aller anderen Verkehrsteilnehmer die Straße dominieren. Ich sehe kein Konzept zum notwendigen Ausgleich für die Anwohner. Bieten sich z.B. Umleitungen über die Parallelstraßen an? Der Ausnahmefall für die Streckenführung der M10 durch die Wohnstraße ist nicht ausreichend begründet.

Walter Momper: Nein, aber dort geht es nicht anders
Besser wäre es natürlich, Straßenbahnen würden durch breite Straßen auf einem eigenen Mittelstreifen fahren und andere Verkehrsteilnehmer möglichst wenig tangieren. Das aber ist nicht immer möglich, schon gar nicht in der eng zugebauten Stadt Berlin.
Wenn man sich den Weg der Straßenbahn von der Warschauer Brücke bis zum Hermannplatz ansieht, dann erkennt man sehr schnell, dass es hier durch ganz enge Wohnstraßen geht. Ein anderer Weg ist nicht möglich oder würde jede Menge Kurven enthalten, die die Straßenbahn nur schlecht befahren kann.
Also ist der Weg der M10 von der Warschauer Brücke über die Falckensteinstraße und die Glogauer Straße sowie die Pannierstraße bis zur Sonnenallee der einzige mögliche und gerade laufende Weg. Wie man allerdings am Hermannplatz eine Wendeschleife anlegen will, ist mir nicht klar. Womöglich fahren die Straßenbahnen in die eine Richtung heran an den Hermannplatz und auf dem Gegengleis wieder zurück zur Warschauer Brücke.
Die Verlegung in die Glogauer Straße geht nur, wenn der Autoverkehr auf den beiden Bahngleisen fährt. Es bleiben dann nur Flächen für Fahrradwege frei. Ein Parken ist in dieser Straße nicht mehr möglich. Wenn man Straßenbahnschienen in der engen Stadt verlegen will und muss, dann ist eine andere Lösung nicht möglich.

Natürlich muss man sich überlegen, wo die Anwohner parken können. Eine Lösung dafür wird nicht einfach sein und wird viele Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Aber dann würde es gehen.

Und: die Anbindung der Straßenbahnlinie von der Warschauer Brücke bis zum Hermannplatz würde viele neue Umsteigemöglichkeiten aus dem Kreuzberger und Neuköllner Kiez heraus und in die S-Bahn und U-Bahn ermöglichen. Das wäre eine wirkliche Verbesserung des ÖPNV in Berlin.

Die BZ im Internet: www.bz-berlin.de