Mit scharfer Kritik wendet sich jetzt auch der Berliner Dom gegen das geplante Flussbad in Berlins historischer Mitte.
Berliner Morgenpost vom 19.03.2021 von Isabel Jürgens

Die erste Euphorie ist längst verfolgen. Gegen das Projekt Flussbad mitten im historischen Zentrum von Berlin, seit 2014 bereits mit mehreren Millionen aus dem Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gefördert, wächst der Widerstand. Mit einem offenen Brief hat sich jetzt auch noch der Berliner Dom für eine schleunige Einstellung des Projekts ausgesprochen.
In dem Brief, der der Berliner Morgenpost vorliegt, heißt es zur beabsichtigten Planung eines Freibades im Spreekanal: „Wir schließen uns in der negativen Bewertung des Gesamtvorhabens den schriftlich und mündlich geäußerten Meinungen dem Landesdenkmalamt Berlin , dem Landesdenkmalrat Berlin , der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Museen, der Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin , dem amtierenden Landesarchäologen des Landes Berlin , der Monitoring-Gruppe des Icomos Deutschland sowie der Baukammer Berlin an“.

„Geschichtsvergessen und ignorant“
Der Berliner Dom definiere sich als aktive Kirche in einem herausragenden Baudenkmal . „Einen Einklang der geplanten touristischen Aktivität in der unmittelbaren Nachbarschaft in Form eines Badevergnügens mit den oben genannten Themen und Angeboten sehen die Vertreter des Doms als nicht gegeben an“, heißt es in dem Schreiben weiter. Der Berliner Dom habe sich seit dem Jahr 1998, in dem die ersten Ideen für die Einrichtung eines so genannten Flussbades an die Öffentlichkeit gelangten, intensiv mit den Chancen und Risiken dieses Projektes in unmittelbarer Nachbarschaft des Doms offen und intensiv beschäftigt.
Nach eingehender Lektüre aller fachlichen Diskussionsbeiträge sowie Teilnahme an Erörterungen von Plänen und Studien, die seit nunmehr 20 Jahren publiziert und in öffentlichen Veranstaltungen kontrovers diskutiert wurden, spricht sich der Berliner Dom nun gegen das geplante Vorhaben aus.
Die in der Projektplanung aufgezeigten notwendigen baulichen Eingriffe in die Kanalwände und in die Kanalsohle in ihrer Gesamtheit gegenüber den herausragenden öffentlichen Räumen, funktionsträchtigen Einzelgebäuden und Ensembles sowie der Spreeuferbegrenzungen seien „geschichtsvergessen, den historischen Bestand gefährdend und ignorant“.

Technische Umsetzbarkeit nicht gegeben
Den Initiatoren des Projekts wirft der Berliner Dom zudem vor, „die erforderlichen Infrastrukturen, die eine genehmigungsfähige, öffentliche, hygienische, funktionale und sicher zu benutzende Badeanstalt gewährleisten würden, in ihrem Ausmaß auf den Visualisierungen bewusst nicht dargestellt“ zu haben, um die Stadtbildunverträglichkeit im Umfeld eines Unesco Weltkulturerbes nicht zu zeigen.
Zudem sei schon heute erkennbar, dass der Ansatz, durch Renaturierung und Versumpfung des Spreekanals „auf einer Länge von 1500 Metern, was einen unfassbaren Eingriff in alle über- und unterirdischen Bereiche in Kanalnähe bedeuten würde, Badewasserqualität für das wenige hundert Meter lange Flussbad herstellen zu können, stadträumlich falsch, unökologisch sowie nach den anerkannten technischen Möglichkeiten nicht umsetzbar ist“.

Bereits rund 30 Millionen Euro verplant
Trotz jahrelanger Planungsuntersuchungen und Fördergeld in Höhe von rund 30 Millionen Euro hätten bislang keine überzeugenden Ergebnisse in der nötigen Tiefe erarbeitet werden können. Daher, so das Fazit des Briefes, sei das Projekt „ökonomisch unverantwortlich, unsozial und elitär“. Mit der Verwendung eines zur Realisierung prognostizierten dreistelligen Millionenbetrages könnten 20 bis 30 Schwimmbäder dezentral in den Berliner Bezirken instandgesetzt und saniert werden.
Der Berliner Dom „fordert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf, dem Vorhaben ein Ende zu bereiten, indem ein Moratorium für das Gesamtprojekt erlassen und keine weiteren Steuergelder zur Förderung dieses nicht genehmigungs- und realisierungsfähigen Projektes verwendet werden“, schließt der Brief ab.
Das Stadtentwicklungsprojekt Flussbad Berlin sieht vor, den 1,8 Kilometer langen Spreekanal zwischen Gertraudenbrücke und Auswärtigem Amt mit einer Pflanzen-Filteranlage zur natürlichen Reinigung des Flusswassers auszustatten. Das so gereinigte Flusswasser soll im anschließenden, etwa 850 Meter langen Abschnitt des Kanals ab Höhe des Schlossplatzes bis zur Spitze der Museumsinsel zum Schwimmen einladen. Dafür sollen an mehreren Stellen Freitreppen entstehen, die den Zugang zum Wasser ermöglichen.

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