Tagesspiegel vom 24.02.2021 - von Ralf Schönball

Brunnen sind für Städte stil- und bildprägend. Der Trevi-Brunnen in Rom zum Beispiel, Treffpunkt der Liebenden, Inbegriff des „dolce vita“ und
heimlicher Hauptdarsteller im gleichnamigen Kultfilm von Federico Fellini. In Berlin hat sich an heißen Sommertagen wohl schon so mancher die Füße in den Becken des Neptunbrunnens auf dem Marx-Engels-Forum gekühlt. Pardon, im Schlossbrunnen, wie er hieß, als er noch an dem Ort stand, für den er erschaffen wurde.
Und schon sind wir mitten im Streit um die Stadt und sein Kunstwerk, den eine Debatte in geordnete Bahnen lenken könnte. Doch diese gibt es in Berlin sogar nach einer Dekade teils schmerzhaft empfundenen Wachstums nicht zur Frage: Wie planen wir die Stadt, deren Mitte und den Großraum der Metropole bis tief in das Brandenburger Land hinein?

Das jedenfalls meint Volker Hassemer, Chef der Stiftung „Zukunft Berlin “: „Es gibt zurzeit keine Stadtentwicklungspolitik “. Stadt gebe es nur als die Stadt der Bürger. Insofern habe sich die Auseinandersetzung „qualitativ verbessert“ seit der Zeit, als er in den 1980er-Jahren selbst Senator für Stadtentwicklung war.
Nur fehle es an „mutigen Wortmeldungen“ der Politik, die eine öffentliche Debatte über die Zukunft Berlins eröffnen müssten, sagt Hassemer. Stattdessen erschöpfe sich Verwaltungshandeln in kleinteiligen Eingriffen ohne das große Ganze in den Blick zu nehmen: Hier das Umfeld der Marienkirche aufgehübscht und jetzt eben für jenes des Humboldtforums einen Wettbewerb zur Gestaltung des Freiraums ausgelobt.

Straßen zerschneiden das Zentrum, neue Wegeverbindungen müssen her
Mutlos, kraftlos? Hassemer ist kein Freund von Polemik, ihm geht es um die Sache, um diese Stadt. Mit den Planern Urs Kohlbrenner und Bernhard Schneider legte er eine „Agenda für die Umgebung des Humboldtforums “ auf, die Mut machen will, diese „innere Mitte“ Berlins als Ganzes zu denken und zu heilen.
Wegen des tosenden Durchgangsverkehrs, der eingezäunten Straßenbahn und quergestellten Blöcken sei das Herz der Stadt in Teile zerrissen, die nur auf Ab- und Umwegen erreichbar sind. Neue Wegeverbindungen sollen das heilen. Während andernorts die Innenstädte für Fußgänger und Fahrradverkehr zurückerobert werden, rufe aber Berlins Verwaltung nicht mal die Suche nach dieser „großen Linie für Mitte“ aus.

Stattdessen werde die Kaimauer der Spree an der Ostseite des Humboldtforums nach Abschluss der U-Bahn-Arbeiten einfach wiederhergestellt wie sie zuvor war, sagt Schneider. Dabei hätte eine neue Wasserlage entstehen können, die Berlins künftige Veranstaltungsmaschine noch heller strahlen ließe.

Die Agenda, die mit neuen Wegen die Zersplitterung der Mitte heilen will, hat Hassemer den zuständigen Verwaltungen geschickt. Nicht mal der Eingang sei bestätigt worden.

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