Ingenieur Steeg: Flussbad in Mitte kostet 200 Millionen Euro. Politik hält daran fest
Berliner Morgenpost vom 19.02.2021 - von Julian Würzer

Das Abgeordnetenhaus will trotz heftiger Kritik am geplanten Flussbad in Berlin festhalten. Darauf verständigten sich die Politiker am Donnerstag im Verkehrsausschuss . „Es ist ein attraktives Projekt, das wir nach Kräften unterstützen und realisieren wollen“, sagte Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Seit vielen Jahren gibt es Überlegungen, wie Berlinerinnen und Berliner im Spreekanal zwischen dem Humboldt Forum und der Museumsinsel in Mitte baden können. Im November 2017 forderte das Abgeordnetenhaus den Senat auf, die Realisierung des Flussbads zu unterstützen.
Maßgeblich vorangetrieben hat das Flussbad Tim Edler, Autor des Projekts und Gründungsmitglied des gleichnamigen Vereins. Er sagte am Donnerstag, dass derzeit die Bedingungen für ein geregeltes Planungsverfahren vorbereitet würden. Allerdings gebe es noch viele Hürden für eine Realisierung, da zum Beispiel in Berlin das Baden in einem Kanal verboten sei, weil man aus Sicherheitsgründen nicht 100 Meter vor und hinter Brücken schwimmen darf.

Für den Einstieg in das Flussbad sollte eigentlich die geplante Freitreppe am Humboldt Forum dienen, die für mehr als sechs Millionen Euro bis 2023 gebaut werden soll. Nach derzeitigen Planungen fordere die Senatsverkehrsverwaltung Edler zufolge aber eine strikte Trennung von Uferwand und Treppe. Daher ende der geplante Einstieg einen Meter über dem Wasser. „Wir halten das für ein ungeschicktes Ergebnis“, sagte Edler. Allerdings sehe er diese Probleme als nicht unüberwindbar an und forderte eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Erhebliche Zweifel an dem Projekt hatte Ingenieur Ralf Steeg. Er rechnete mit einer massiven Kostensteigerung des Flussbads . Bislang gehe man ihm zufolge von Gesamtkosten von 69 Millionen Euro aus, allerdings seien die noch nicht überprüft worden. „Danach schätze ich die Gesamtprojektkosten auf 150 bis 200 Millionen Euro“, sagte er bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss.

In den bisherigen Rechnungen seien beispielsweise Gelder wie für archäologische Ausgrabungen noch gar nicht berücksichtigt. Zudem zweifelte der Ingenieur an der Effektivität des geplanten Filters zur Reinigung des Spreewassers und kritisierte den Bau eines Dükers, einer Art Tunnel, der Abwasser unter dem Filter hindurchführen soll. Hierfür müsste Steeg zufolge so viel Beton wie für etwa einen Kilometer Autobahn verbaut werden. Das entspräche einem CO 2 -Ausstoß von 24,4 Millionen Fahrkilometer eines Pkw. „Das hat nichts mit Umweltschutz zu tun“, so Steeg.

Die Kritik an den Kosten teilte auch Birgit Fritz-Taute, Abteilungsleitung bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz . „Für das Flussbad wäre es wichtig, dass die Kosten auf dem Tisch liegen, damit sie bewilligt werden können“, sagte sie. Ansonsten werde das Ganze nichts, „weil kein Geld zur Verfügung gestellt wird“.

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