Ausflugs-Tipp: Ein Spaziergang durch die Friedenauer Fregestraße zu den denkmalgeschützten Ceciliengärten.
Berliner Morgenpost vom 10.02.2021 - von Dirk Teuber

Unter uns ist das Tosen der Autobahn A103 zu hören. Startpunkt des Spaziergangs ist der S-Bahnhof Feuerbachstraße, benannt nach dem Religionskritiker und Philosophen Ludwig Feuerbach. Wir ­biegen in einen Rad- und Fußweg ein, der auch das Ende der Fregestraße ist. Sie zieht sich bis zu ihrem Ausgangspunkt an der Schöneberger Hauptstraße. Noch befinden wir uns in Steglitz, nach dem Passieren der Saarstraße bildet die Fregestraße die Grenze zwischen Schöneberg und Steglitz. Wir befinden uns mitten im Ortsteil Friedenau. Typisch für die idyllische Gegend ist die gutbürgerliche Melange aus mächtigen Gründerzeit-Altbauten und pittoresken Stadtvillen, die teilweise prominente Mieter hatten.

 

Prominente Persönlichkeiten und familiäre Dramen
Beeindruckend thront hier eine Villa aus roten Ziegelsteinen, die vom Architekten Max Nagel 1890 gebaut wurde. Nach einer wechselhaften Geschichte ist es inzwischen ein Wohnheim der Turnerschaft Berlin , einer Studentenvereinigung, die mit dem Motto „Dem Freund die Hand, dem Feind die Stirn“ reüssiert.

Nur wenige Meter weiter knickt die Frege­straße links ab, an der Ecke auf der rechten Seite liegt eine gründerzeitliche Landhausvilla aus dem Jahre 1886, die rot verputzt ist und zunächst recht unscheinbar wirkt. Doch die Hausnummer 19 hat es geschichtlich in sich: 1896 zog ein gewisser Dr. Heinrich Göring, Kaiserlicher Reichskommissar und Konsul in Ruhestand, mit seinen vier Kinder und seiner 21 Jahre jüngeren Frau ein. Diese amüsierte sich lieber mit dem Berliner Lebemann Hermann Ritter von Epen­stein, der wenig später die Immobilie erwarb und mit ­Görings Ehefrau durchbrannte. Eines ihrer Kinder ist der spätere NSDAP-Politiker, Reichsmarschall und Kriegsverbrecher Hermann Göring.

70 Jahre später zog der Dichter und ­Essayist Hans Magnus Enzensberger mit seiner geschiedenen Ehefrau in die Villa ein. In seiner Abwesenheit – er befand sich auf einem Auslandsaufenthalt – gründete sich hier die Kommune 1, die für zahlreiche linkspolitische Aktionen Mitte der 1960er-Jahre verantwortlich war.

Gedenktafel für Theodor Heuss
Nach wenigen hundert Metern und der Überquerung der Wilhelm-Hauff-Straße taucht rechter Hand das Literaturhotel Berlin auf, das sich der literarischen Geschichte Friedenaus verschrieben hat und mit 18 individuell eingerichteten Zimmern im Biedermeier-Stil aufwartet. Im Uwe-Johnson-Salon – benannt nach einem weiteren prominenten Bewohner Friede­naus – finden auch Lesungen statt, die coronabedingt derzeit nicht möglich sind.

Die Fregestraße führt gerade auf die Schöne­berger Hauptstraße zu. Kurz vor der Einmündung befindet sich auf der rechten Seite die Hausnummer 80. Eine Gedenktafel verweist auf Theodor Heuss, der hier von 1918 bis 1939 mit seiner Frau Elly Heuss-Knapp lebte. Der Politiker und spätere erste Bundespräsident verfasste hier erste Biografien und Streitschriften.

Die schmucken Ceciliengärten sind eine begehrte Wohngegend
Bevor wir rechts in die vielbefahrene Hauptstraße einbiegen, lohnt ein Blick nach links, wo sich der Turm des ehemaligen Rathauses Friedenau erhebt. Nach wenigen hundert Metern auf der Hauptstraße biegen wir in Höhe Traegerstraße rechts ab, bis wieder rechts eine Straße zu den Ceciliengärten einbiegt.

Der Architekt und Stadtbaurat von Schöneberg, Heinrich Lassen, ließ das Wohnviertel zwischen 1922 und 1927 errichten. 1977 wurden die Grünanlagen zum Gartendenkmal erklärt, seit 1995 stehen die Ceciliengärten unter Denkmalschutz . Die noch unter dem Einfluss des Jugendstils erbaute Wohnanlage stand im Gegensatz zum damals vorherrschenden Baustil der Neuen Sachlichkeit. An den Häuserwänden befinden sich Fassadenschmuckelemente, die sich an die Formensprache des Art Deco anlehnen. Benannt wurde das Viertel nach der Kronprinzessin Cecilie von Preußen, die Gattin des letzten deutschen Kronprinzen Wilhelm.

Die Straße öffnet sich zu einer ovalen Grünanlage, in deren Mitte sich auf einer gepflegten Rasenfläche die vom Bildhauer Georg Kolbe geschaffenen Frauenstatuen „Der Morgen“ und „Der Abend“ gegenüberstehen.
Nach der Umrundung gelangen wir durch den Atelierturm – der Maler Hans Baluschek hatte hier über mehrere Etagen seine Werkstatt – auf die Semperstraße, in die wir rechts einbiegen. Sie endet an der Sponholzstraße, benannt nach dem Kaufmann Johann Christian August Sponholz. Hier gelangen wir an unser Ziel: den S-Bahnhof Friedenau.

Ausflugs-Info
Literaturhotel Berlin 18 individuell eingerichtete Zimmer. Im Uwe-Johnson-Salon kann man die Literaturgeschichte Friedenaus nachverfolgen. Lesungen finden derzeit nicht statt. Der touristische Hotelbetrieb ist coronabedingt ebenfalls eingeschränkt. Fregestraße 68, Friedenau, Tel. 59 09 60, www.literaturhotel- berlin .de

Restaurant „Anant“ Schon von weitem riecht man den Duft indischer Gerichte. Alle Speisen derzeit nur zum Mitnehmen, ein Lieferservice wird angeboten. Die große Terrasse auf der Ecke Sponholzstraße/ Baumeisterstraße ist ebenfalls geschlossen. Baumeisterstraße 1, Friedenau, Tel. 33 85 28 92, www.anant-restaurant.de

Dauer und Strecke Für die etwa drei Kilometer lange Strecke wird eine Stunde benötigt.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de