FAZ

Donnerstag 01. September 2011 - von Mechthild Küpper 

Der Gärtner von Berlin geht
Klaus von Krosigk hat die Gartendenkmalpflege in der Hauptstadt aufgebaut. Soll sich jetzt der grüne Daumen senken?

BERLIN, im August. Das Berlin von Dr.- Ing. Klaus-Henning von Krosigk ist eine besonders schöne, alte, grüne Stadt. Krosigk, Stellvertreter des Berliner Landeskonservators, der seit 1978, damals noch in Berlin (West), das erste Fachreferat für Gartendenkmalpflege in Deutschland aufgebaut hat, sieht aber das Erbe dieser Stadt als gefährdet an. Mit seinem Denkmalschutzgesetz sei Berlin 1977 derartig spät dran gewesen, dass es die Versäumnisse der anderen Länder vermeiden konnte. Nicht nur Bau- und Bodendenkmale, sondern auch Gartendenkmale stellte die Stadt unter Schutz. Angefangen hat Krosigk mit vier Mitarbeitern. So viele sind es heute wieder, da er seine letzten Tage im Amt verbringt. Im ersten Jahrzehnt als Gartendenkmalpfleger von Berlin spielte Geld noch keine Rolle, das kam damals aus Bonn, und Krosigk, der zehn Senatoren kommen und gehen sah, konnte spektakuläre Erfolge erringen.

Sein Gesellenstück: der im Jahr 1900 von Fritz Encke angelegte Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg. 1979 und 1980 wurde er als "festlich-froher Gartenplatz" wiederhergestellt, wie es im Dehio heißt, dem Handbuch der Kunstdenkmäler. "Er funktioniert so toll, er ist robust, er bildet die Mitte des Quartiers und ist schön", sagt Krosigk. Mehr kann man nicht verlangen, nicht als Stadtbewohner und nicht als Denkmalschützer. Aufwendig restauriert wurde in den achtziger Jahren auch der Savignyplatz in Charlottenburg. Wie der vorher, ohne die Staudenrabatten, ohne die Lauben, ohne weiße Gartenbänke, ausgesehen hat, mag man sich gar nicht mehr vorstellen. Berlin hat 600 Gartendenkmale, darunter 160 geschützte Haus-, Villen- und Landhausgärten, als Band 33 der "Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin" in einem dicken Band vorgestellt. Viele werden den 2003 bis 2006 wiederhergestellten Garten Liebermann am Großen Wannsee kennen oder schon einmal im den Garten des Literaturhauses in der Fasanenstraße in Charlottenburg gesessen haben, der in den achtziger Jahren restauriert wurde. "Unter den Eigentümern hat sich längst herumgesprochen", sagt Krosigk, "dass Denkmalschutz nicht nur Nachteile hat."

Früher sei er sich gelegentlich wie der amerikanische Erweckungsprediger Billy Graham vorgekommen, sagt Krosigk. Doch in den vergangenen 30 Jahren sei das Verständnis für seine Arbeit gewachsen. Platz für Platz und Park für Park erlebten Politiker wie Bürger, wie die Pflege der Gartenanlagen der Lebensqualität und der Identität einer großen Stadt bekomme. Im Amt habe er gelernt, "die richtigen Leute zu begeistern".

So gelang es ihm nach dem Mauerfall am Pariser Platz, die durch archäologische Forschung gefundene Gestalt des quadratischen Platzes vor dem Brandenburger Tor mit Geld von der EU höchst aufwendig wiederherstellen zu lassen. Denn ihm sei klar gewesen: "Hier kann man die Welt nicht neu erfinden!" Am Gendarmenmarkt aber, dem anderen berühmten Berliner Platz, ist auf absehbare Zeit beides zu sehen: der von der Öffentlichkeit unbemerkte erfolgreiche Eingriff des Gartendenkmalpflegers um den Deutschen Dom herum - und auf der anderen Seite, am Französischen Dom, das Scheitern des Versuchs, gegen eine von einer Wirtin organisierte Bürgerinitiative die kurpromenadenhaften Kugelahornbäume zu fällen. Dabei, sagt Krosigk, sei die Bürgerinitiative eigentlich ein durchsichtiges Manöver von Leuten gewesen, die ihren Tresen schützen wollen.

Ausgerechnet er, der Gärtner von Berlin, als Baumkiller diffamiert? Das ist Klaus von Krosigk schon häufiger passiert. Es fing Ende der siebziger Jahre im Schlosspark Klein-Glienicke des "Landschaftsverschönerers" Peter Joseph Lenné an, wo die alten Wege, Beete, Hebungen und Senkungen des Bodens und die Sichtbezüge über die Havel nach Potsdam wiederhergestellt wurden. Und auch im Tiergarten, dem 300 Jahre alten "Parc de Berlin", wurde er wild beschimpft, als 800 Bäume gefällt wurden, um die ursprünglichen Alleen wiederherzustellen. Lenné, so Krosigk, spricht vom "Herrn der Aussichten", und um Aussichten zu gewinnen, muss der Gärtner nicht nur pflanzen. Abermals wurde der Gartenbaudirektor als Grünkiller beschimpft, als es vor drei Jahren um den Unesco-Weltkulturerbe-Status für sechs Wohnungsbausiedlungen der zwanziger Jahre ging. Der Wildwuchs in den Grünanlagen und Höfen wurde von den Mietern zum Teil vehement verteidigt.

Die Gartendenkmalpflege lässt die bei vielen Großstädtern beliebte götzenhafte Verehrung allen Grüns nicht zu: "Das Erbe", meint Krosigk, "ist möglichst ungeteilt, unverbessert und unverändert als authentische Quelle, als Sachzeuge für uns und die nächsten Generationen zu erhalten und zu pflegen."

Während das Interesse an Parks und Gärten wächst, Gartenreisen florieren, alte Obstsorten neu angebaut und Schulgärten wiederentdeckt werden, während viele für Grün auf die Barrikaden gehen, hat sich nach Krosigks Beobachtung zugleich auch die Einstellung verbreitet: "Grün ist zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt." Überall in den preußischen Parks und Gärten in Berlin und Potsdam muss denkmalgeschütztes Grün vor Radfahrern, Picknickern und Kindern geschützt werden. Nicht etwa betrunkene Teenager, sondern äußerst selbstbewusst auftretende Bildungsbürger nehmen historische Anlagen für ihren persönlichen Erholungsanspruch in Beschlag.

Der Boxhagener Platz im Szenequartier Friedrichshain zum Beispiel, einer von 60 geschützten Stadtplätzen und Kirchhöfen, wurde gartendenkmalpflegerisch wiederhergestellt. Inzwischen aber sei er "von Hundebesitzern okkupiert worden, die ihn dominieren". In derartig dicht besiedelten Quartieren sei es schwierig, Gartenanlagen vor Verschleiß zu schützen. Den Tiergarten als Grillparadies schaut er sich nie an. Aber er diffamiert die Erholungswünsche auch nicht: "Es ergibt keinen Sinn, auf ohnehin Benachteiligten herumzutrampeln oder einfach nur Verbote auszusprechen", findet er. Vielmehr müsse Politik "adäquate Flächen" anbieten, die sich für eine robuste Nutzung eigneten. Auch Parks für "Sport, Spiel, Spannung" müsse es geben. Berlin, dessen Gartendenkmale in ihrer Entstehungszeit zumeist moderne Anlagen waren, tue gut daran, sich auch an einer "neuen Handschrift" zu versuchen, findet Krosigk. Als Beispiel nennt er den Invalidenpark zwischen Naturkundemuseum und Wirtschaftsministerium mit der großen Skulptur "Untergehende Mauer".

In den vergangenen Jahren traf man Klaus von Krosigk häufig auf Friedhöfen. Sie gehörten von Anfang an zu seinen Aufgaben. Berlin hat mehr als 1000 Hektar Friedhofsflächen, brauchte aber nur 700. Von ihnen sind 83 Gartendenkmale. Viele alte Friedhöfe sind schlecht gepflegt. "Unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte" heißt der Katalog zum Programm "Grabmale retten", den die Denkmalpfleger 2010 herausgaben. Es ist das Angebot an alle, sich an den Sanierungskosten historischer Grabmale zu beteiligen - und sich später selbst in die restaurierten Gräber zur letzten Ruhe legen zu können. Nutzung und aufmerksame Besucher seien der beste Schutz für einen Friedhof, findet Krosigk.

Dass das stimmt, sieht man an Wochenenden auf dem Alten St.-Matthäus-Friedhof in Schöneberg. Die Sanierung eines Grabmaldenkmals kostet, das berichtete er 2007 der Mendelssohn-Familie auf dem alten jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee, rund 20 000 Euro. Den größten jüdischen Friedhof in Europa, den in Weißensee, auf die Unesco-Weltkulturerbeliste zu setzen ist zwar gescheitert. Doch seine Sanierung, die 1990 begann, wird fortgesetzt: "Wir kämpfen unverdrossen weiter!" Und seine Nachfolge? Klaus von Krosigk sagt trocken: "In jedem Fall geht es natürlich weiter." Ob seine Stelle besetzt wird, ist aber ungewiss.