Berlins umstrittenster Architekturwettbewerb für die ersten sieben Häuser am Molkenmarkt in Mitte ist entschieden
Morgenpost vom 14.11.2025 von Isabell Jürgens
Berlin Wohnen ab sieben Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, nicht im gesichtslosen Plattenbau, sondern in einem klassischen Berliner Altbau – teils sogar mit nachempfundenem mittelalterlichen Turm. Das soll in wenigen Jahren auf dem Molkenmarkt, mitten im Herzen Berlins, möglich sein. Am Donnerstag präsentierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Siegerentwürfe für die ersten sieben Häuser.
Der Realisierungswettbewerb für die Bebauung des Areals am Molkenmarkt für den Block B1 wurde in drei Lose aufgeteilt, die jeweils unterschiedliche Bürogemeinschaften gewonnen haben. Die Jury lobte „die ausgesprochen hohe Qualität in der Ausarbeitung aller Beiträge“. Und empfahl der Bauherrin WBM, die jeweils mit den ersten Preisen ausgezeichneten Arbeiten zu realisieren.
Der mit 35.900 Euro dotierte erste Preis für das Los 1 ging an die Bürogemeinschaft Hild und K, München/Happel Cornelisse Verhoeven, Rotterdam/Modersohn & Freiesleben, Berlin. Ihre Aufgabe bestand darin, an der Gruner-, Ecke Jüdenstraße, vis-à-vis vom Roten Rathaus, drei Häuser zu schaffen, in denen aufgrund der lärmbelasteten Lage in den unteren Geschossen Geschäfte und Büros einziehen – und in den oberen Etagen gewohnt werden kann. Auffällig ist der Arkadengang im Erdgeschoss, der sich beim Eckgebäude über zwei Etagen erstreckt.
Zwei erste Preise für Projekte an der Jüdenstraße
Unmittelbar anschließend an die Häuser von Los 1 sollen zwei Wohnhäuser an der Jüdenstraße entstehen. Wie sie im Detail aussehen werden, ist noch offen – denn es wurden gleich zwei erste Preise, die jeweils mit 18.900 Euro bedacht werden, vergeben: Einer ging an die Gemeinschaft Duplex Architekten GmbH, Hamburg/Gort Scott, London/Kim Nalleweg Architekten GmbH, Berlin. Der andere an die blrm Architekt*innen GmbH aus Hamburg. „Jeweils sehr gelungene, berlinisch anmutende Häuser“, so der Jury-Vorsitzende. Der mit 20.100 Euro bedachte erste Preis für zwei Geschäftshäuser direkt am Molkenmarkt, Ecke Grunerstraße mit Blick auf das Nikolaiviertel geht an die beiden Berliner Büros Eckert/Negwer/Suselbeek sowie Baumeister und Dietzsch. Das prominente Eckgebäude aus Naturstein, ebenfalls mit Arkadengang im Erdgeschoss, mutet an wie ein trutziger, mittelalterlicher Turm. „Alle Projekte setzen sich klug und kreativ mit dem Anspruch auseinander, funktionale Gewerberäume und vor allem attraktive und bezahlbare Wohnungen mit großstädtischer Stadtreparatur in Einklang zu bringen“, so der Preisrichter.
„Es geht an diesem bedeutenden Ort um die Wiederbelebung der historischen Mitte“, betonte auch Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), der darauf verwies, dass dies in der Ausschreibung des Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht wurde. Eine Entscheidung, die von Kritikern als historisierendes Berlin-Disneyland geschmäht wurde. Dass mit der Entscheidung für die ersten Gebäude die Diskussion wirklich beendet sei, dieser Hoffnung gab sich Gaebler nicht hin: „Es ist uns aber ganz gut gelungen, die Vorwürfe und Verschwörungstheorien zu entkräften“, sagte er. Die Entwürfe zeigten, dass die Orientierung an der Bebauung des historischen Molkenmarktes nicht im Widerspruch zur Schaffung von öffentlichem, bezahlbarem Wohnraum stünde.
Als Bauherrin fungiert die landeseigene WBM
In den sieben ersten Häusern am Molkenmarkt sollen insgesamt 100 Wohnungen entstehen. Als Bauherrin fungiert die landeseigene WBM. Gemäß der Kooperationsvereinbarung mit dem Senat soll die Hälfte der Wohnungen mitpreisgebunden angeboten werden. 30 Prozent sollen dabei zu einer Einstiegsmiete von sieben Euro je Quadratmeter und Monat (kalt), 20 Prozent zu 11,20 Euro vergeben werden. Die 50 Prozent der frei finanzierten Wohnungen sollen dann laut WBM-Finanzplan ab 15,44 Euro auf den Markt kommen. Das Investment für die Häuser inklusive der 20.000 Quadratmeter gewerblicher Fläche beziffert die WBM auf rund 60 Millionen Euro. Je Quadratmeter Wohnfläche rechne man zum derzeitigen Planungsstand mit etwa 4500 Euro je Quadratmeter.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis die ersten Bewohner am Molkenmarkt einziehen können: WBM-Geschäftsführer Lars Dormeyer rechnet mit dem Baustart frühestens in zwei Jahren. Nach zwei bis dreijähriger Bauzeit könnten dann die ersten Mieter einziehen. Insgesamt sollen auf den drei Baufeldern am Molkenmarkt rund 450 Wohnungen entstehen, von denen die Hälfte mietpreisgebunden sein soll.
