Berlin. Die Ausgrabungen am Molkenmarkt zeigen, wie Berliner von Mittelalter bis zum Weltkrieg gelebt haben. Das sind die besten neuen Funde.
Morgenpost vom 08.08.2025

Am Mittwochmorgen präsentierten Bausenator Christian Gaebler (SPD) und Landeskonservator Christoph Rauhut neue Funde von Ausgrabungen am Molkenmarkt. Nur noch bis Ende des Jahres sollen die Grabungen auf dem 22.000 Quadratmeter großen Gelände dauern. 2019 begann die gigantische Freilegung der historischen Mitte Berlins.

Bevor dort bezahlbarer Wohnraum entsteht, sollen möglichst alle Artefakte im Untergrund geborgen werden. In sechs Jahren wurden bereits 88.000 Kubikmeter Untergrund durchsiebt, etwa zur Hälfte in mühsamer Handarbeit, der Rest mit Hilfe von Maschinen. Vier Meter tief wird gegraben. Funde in größerer Tiefe sind unwahrscheinlich, darunter kommt laut Experten hauptsächlich märkischer Sand und Grundwasser.

Zeugnisse eines gewissen Wohlstandes
Bei der größten Stadtkerngrabung in ganz Deutschland konnten schon rund 700.000 Funde gemacht werden, von denen das Landesdenkmalamt die besten im Haus Petri auswertet und präsentiert. Vor einem Jahr wurde ein Kurzschwert gefunden, im Dezember die Statuette der Heiligen Katharina aus dem 15. Jahrhundert – eine kleine Sensation. Jetzt wurden am Molkenmarkt auch Reste bleiverglaster Fenster, ein Wollstrumpf, Lederschuhe und ein Seidenband gefunden. Diese Funde weisen auf einen gewissen Wohlstand in Berlin hin.

Für Landeskonservator Rauhut ist es schwer zu sagen, welche der vielen Funde die bisher spannendsten waren. Neben den Fundamenten eines alten Elektrizitätswerkes nennt er einen 50 Meter langen und bis zu sieben Meter breiten Bohlenweg aus Holz als herausragend, der etwa um das Jahr 1230 entstand. „Durch die Größe der Ausgrabung ist es uns möglich, viele Fragen zu klären. Wir versuchen anhand der Funde beispielsweise zu klären, wie Berlin im Mittelalter als Stadt funktioniert hat“, so Rauhut. „Wie der Handel funktionierte, wann es eine wirtschaftliche Blüte gab.“ Bausenator Gaebler sagte: „Erst durch die wissenschaftliche Auswertung beginnen die Funde zu sprechen.“

Selten: Münzschatz aus dem 13. Jahrhundert
Besonders stolz ist das Ausgrabungsteam auf den neuesten Fund, der unterhalb eines Ziegelbodens gefunden wurde: Fünfeinhalb Münzen aus dem 13. Jahrhundert. Die halbe Münze sei für eine Zahlung entwertet worden, um die andere Hälfte aufheben zu können. Auf dem gesamten Ausgrabungsareal wurden 1500 Münzen gefunden, aus dem 13. Jahrhundert sind dies jedoch die einzigen. Ab fünf Münzen darf von einem Schatz gesprochen werden, auch wenn es sich laut dem wissenschaftlichen Projektleiter Eberhard Völker um „Pfennigware“ handelt, die im Mittelalter nur die Kaufkraft für einen Laib Brot oder ähnliches gehabt hat.
Bei den Münzen handelt es sich um so genannte Denare aus Silber, die pro Münze nur rund ein Gramm wiegen. „Die kleinste Münze im 13. Jahrhundert war der Heller, er war ein Zehntel eines Denars wert“, erklärt Völker. Was man auf den gefundenen Münzen erkennen könne, seien die stilisierten Abbildungen der Markgrafen Otto I., auch bekannt als Otto der Reiche. Außerdem Otto VI., genannt Otto mit dem Pfeile. Beide stammten aus dem Haus der Askanier. Auf der Münzrückseite sind brandenburgische Adler zu erkennen. Im Hintergrund der Markgrafen sind zwei Türme eingeprägt. „Die Türme gab es nicht wirklich in Berlin oder Brandenburg“, erklärt Eberhard Völker. „Sie symbolisieren nur die Wehrhaftigkeit und Macht der Herrscher.“

Brot und Spiele: Was die Vorfahren so trieben
Weil die Häuser im Mittelalter vorwiegend aus Holz gebaut wurden, sind sie nicht erhalten geblieben. Dafür wurden hunderte Latrinen und Feldstein-Brunnen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert gefunden. Friedlich scheint es auch damals nicht immer zugegangen zu sein: Jedenfalls wurden zahlreiche Flintsteine entdeckt. Diese wurden im 18. Jahrhundert vor allem von Soldaten zur Erzeugung von Funken in Steinschlossgewehren genutzt.

Fundamente eines früheren Waisenhauses
Schicht um Schicht enthüllen die Archäologen die Berliner Stadtgeschichte. Immer wieder finden sie beispielsweise gründerzeitliche Bodenfliesen von Villeroy & Boch. Auch die Fundamente des Kornmesserschen Waisenhauses traten durch Grabungen zutage. Dieses wurde vom Nachlass des Berliner Bürgermeisters Joachim Friedrich Kornmesser, errichtet, der im Jahr 1715 starb. Das Gebäude, das später zum königlichen Leihamt umfunktioniert wurde, stand bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg am Molkenmarkt.

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