Baustellenbericht aus der Alten Mitte: Wird das ein Flussbad im Spreekanal? Und daneben irgendwann die wahrscheinlich größte Bratpfanne der Welt?
Berliner Zeitung vom 23.07.2025 von Maritta Adam-Tkalec 

Es geht los vor der Schlosstüre. Bagger rollen. Nein, nicht am Dauerbaustellenruheplatz der Bürgerwippe, aber gleich daneben: Am Freitag, 25. Juli, 11 Uhr, ist feierlicher Spatenstich für die große Freitreppe, die vom Schlossvorplatz zum Fluss hinunterführen wird – eine prachtvolle Sitzgelegenheit an der früheren Schlossfreiheit. Wer sitzt nicht gern am Wasser? Man stellt sich schon vor, wie man entspannt in die Abendsonne blinzelt. Es soll auch schattenspendende Bäume geben. Ab wann darf man dort chillen? Da verzichten wir angesichts von Erfahrungen mit Berlin-Baustellen, siehe oben, auf Prognosen und sagen lieber: Dauert.

Die Kosten für die Treppe sind auf 7,26 Millionen Euro angesetzt. Davon kommen 3,78 Millionen Euro vom Bund, 3,48 Millionen Euro von der Stadt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schreibt freudig: „Die Freitreppe,Schlossfreiheit‘ aus Granit und Sandstein öffnet sich mit einladender Geste zum Stadtraum in Richtung Schlossbrücke. Eingefügte Sitzstufen, schattenspendende Bäume und ein wasserseitiger breiter Balkon schaffen öffentlich nutzbare und barrierefreie Aufenthaltsqualitäten am Spreekanal.“

Pariser Badetraum für 1,4 Milliarden Euro

Als Einstiegstelle zum Baden im Fluss, so wie in Paris an der Seine möglich, wenn nicht gerade das Wasser zu dreckig wird, soll die Treppe am Spreekanal ausdrücklich nicht dienen: Die letzte Stufe endet 75 Zentimeter über der Wasserkante. Man könnte wohl reinspringen, käme aber nur sehr schwer wieder raus. Doch der Verein Flussbad hofft weiter darauf, dass es irgendwann doch von der Treppe ins Wasser gehen kann. Für den 12. August um 17 Uhr rufen die Flussschwimmer zur Mit-Schwimm-Demo auf, Treffpunkt Schinkelplatz.

Paris hat für das Seine-Baden 1,4 Milliarden Euro (aus der leeren Staatskasse) entnommen; ohne Olympische Spiele wäre das wohl ein Traum geblieben. Das Spreewasser in Berlin zuverlässig so fäkalienarm zu bekommen, dass dem Schwimmen keine größeren Gastrointestinalschäden folgen, kann Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern. Die Starkregen, die die Kanalisation überlaufen lassen und den Straßendreck samt Rattenleichen und Hundekot in die Spree spülen, nehmen ja eher zu als ab.

Da steht womöglich sogar die Einheitswippe nebenan früher, als dass sauberes Wasser die Spree hinabfließt. Wobei: Die Riesenschale ist eine Stahlkonstruktion – wird sie bei Gluthitze zur größten Bratpfanne der Welt? Beschichtete Bratpfanne, muss man sagen, denn wegen der Rutschgefahr ist sie mit Edelsplitt beschichtet, also mit Steinchen. Auf dem steinernen Schlossplatz um die Ecke haben sie auf den Sitzbänken in der heißen Steinwüste schon mal 80 Grad gemessen.

Ursprünglich sollte die Wippe ja versinnbildlichen, dass Bürger in Bewegung die friedliche Revolution in der DDR bewirkt hätten, inzwischen sehen wir deren Wanderung an die Ränder – hier Linke, da AfD. Das erzeugt auch Bewegung. Noch liegt die fertige Schale in der Metallbauwerkstatt Rohlfing in Stemwede, Nordrhein-Westfalen. Die Firma ist pleite, weil sich zwei Brüder heillos und aus tragischen Gründen zerstritten haben, und wartet, dass der Bund, also der Bürger, noch mal Hunderttausende lockermacht, um sie aus der Insolvenzmasse auszulösen.

Für den Schlossplatz ist nun Geld da, um einen Riesenunfug zu reparieren – eben jene Steinwüste aufzubrechen und drei Waldinseln anzupflanzen. Bei einem Fest im Garten des ehemaligen Staatsratsgebäudes, jetzt die Managementhochschule ESMT, hatte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt kürzlich die (nicht von ihr zu verantwortende) Fehlplanung des Stadtraumes als geschlossene Steinfläche mit der Aussage entschuldigt, man habe ja damals, im Jahr 2013, nicht wissen können, dass die Frage der sich im Klimawandel erhitzenden Stadt so wichtig sein würde.

2013 – also 21 Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio, der flehentlich vor den Folgen der Erderwärmung gewarnt hatte, und 18 Jahre nach der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin (!) – wussten die Stadtplaner nicht von der Erwärmung? Schnell noch mal die Aufzeichnung nachgehört – ja, sie hat es gesagt.

Wir erinnern uns hingegen an damals heftig geführte Debatten und haben noch Manfred Rettig im Ohr. Der Architekt, Stadtplaner und bis 2016 Vorstand und Sprecher der Stiftung Berliner Schloss, beklagte 2014, dass die Planung der Senatsbauverwaltung eine steinerne Fläche ohne Aufenthaltsqualität auf dem Schlossplatz vorsehe. Die Senatsbaudirektorin hieß damals Regula Lüscher. Rettig stellte sich – statt einer toten Fläche im Dienst der Verkehrsplanung zwischen Schlossplatz und Breiter Straße – ein Element der künftigen „Uffizien von Berlin“ vor: eine Achse, die von der herrlichen Granitschale im Lustgarten durch die Schlosspassage über den Ersten Hof durch Portal II zum Schlossplatz reicht. Dort sollte die Achse durch einen Brunnen ihre Verlängerung zur Breiten Straße finden.

Bis zur Zerstörung des Schlosses stand vor Portal II der Schlossbrunnen, ein Geschenk der Bürger an ihren Monarchen. Weil die zentrale Figur des Begas-Werkes Meeresgott Neptun zeigte, bekam er auch diesen Namen. Neptun steht nun zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche und soll, so sagte es Petra Kahlfeldt, dort auch bleiben. An Neptuns angestammtem Platz ist ein zeitgenössischer Brunnen geplant, der Spaß, Spiel und Kühlung zwischen die Pflastersteine bringt.

Zankobjekt Schloss-/Neptunbrunnen

Diese Idee hat starke Gegner: Die Allianz Berliner Bürgervereine kritisiert den Senatsplan, weder den originalen Neptun heimkehren zu lassen noch eine spendenfinanzierte Replik. Die Allianz stützt sich auf eine repräsentative, im Mai 2017 von Infratest Dimap durchgeführte Umfrage, der zufolge 37 Prozent der Befragten für den Verbleib des Neptunbrunnens am Fernsehturm votierten, 47 Prozent für den früheren Standort auf dem Schlossplatz. Eine moderne Brunnenanlage, so die Allianz, „fände zweifellos ihren besseren Platz am derzeitigen Standort des Neptunbrunnens vor dem Fernsehturm – dort, wo sie gestalterisch mit der umgebenden DDR-Moderne harmonieren würde“.

Neptun in seiner neobarock-kaiserzeitlichen Üppigkeit, erschaffen von Reinhold Begas, den Kaiser Wilhelm II. besonders schätzte, thront mit Dreizack in zehn Metern Höhe auf einer gewaltigen Muschel, umgeben von seinem Gefolge, den allegorischen Figuren der Flüsse Rhein, Weichsel, Oder und Elbe. Seit langem ist nicht zu übersehen, dass es ihm sehr, sehr schlecht geht. Die Bronzefiguren weisen viele Zentimeter dicke, weißliche Kalkablagerungen auf.

Gutachter mahnten schon vor zehn Jahren, der Kalk müsse entfernt werden, weil er auf Dauer das Metall zerstört. Zudem müsse die Bronzeoberfläche dringend gewachst werden. An einigen Stellen ist das Wasserbecken aus Granit beschädigt, Fugen der Treppenanlage müssen ausgebessert werden. Sanierungskosten: etwa 250.000 Euro – so die Schätzung eines Experten vom Landesdenkmalamt aus dem Jahr 2015. Da muss man sich mittlerweile viel mehr vorstellen. Nur notdürftig wurde bisher das Wasserbecken abgedichtet. Auch sämtliche Wasserleitungen müssen erneuert werden. Das steckt in der alten Kostenschätzung nicht drin.

Wenn politisches Kalkül die Sanierung nicht noch weitere Äonen lang blockiert, lautet die Wahrheit: Am jetzigen Standort wird auf Jahre eine Lücke klaffen, beziehungsweise es würde Jahre dauern, bis er am Schloss stünde.

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