Die Bundesregierung will den Bau von Wohnungen in Deutschland beschleunigen. Dadurch würde kein bezahlbarer Wohnraum gefördert, kritisiert die Grünen.
Berliner Zeitung vom 10.07.2025 von afp khe
Der Bundestag hat erstmals über die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung für einen schnelleren Wohnungsbau beraten. Dabei kritisierte vor allem die Oppositionspartei Bündnis 90/ Die Grünen das Vorhaben. So warfen die Grünen der Bundesregierung vor, teure Neubauten anstelle bezahlbaren Wohnraum zu fördern.
Die Bundesregierung wolle mit ihrem geplanten Gesetz „Neubau fördern, der teuer ist, Flächen versiegelt und die Mitsprache vor Ort einschränkt - so löst man keine Probleme, sondern schafft neue“, sagte der bau- und wohnpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Kassem Taher Saleh. In dem Gesetzentwurf stehe nichts zu sozialen oder gemeinnützigen Wohnungen, fuhr Taher Saleh fort. „Gerade von der SPD hätte man mehr Einsatz für bezahlbares Wohnen erwarten dürfen.“
„Das Mindset muss sein: Vorfahrt für den Wohnungsbau“
Das Kabinett hatte den Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung im Juni beschlossen. Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hatte bei der Vorstellung ihres Regierungsprogramms im Mai versprochen, ein „ambitioniertes Tempo“ beim Wohnungsbau vorzulegen und mit dem „Wohnungsbau-Turbo“ zu starten.
Mit dem geplanten Gesetz zum sogenannten Bauturbo sei ein erster wichtiger Schritt zur „Überwindung des Wohnraummangels in Deutschland“ eingeleitet worden, sagte der fachpolitische Sprecher für Bauen und Wohnen der CSU im Bundestag, Michael Kießling. Nach Ansicht des baupolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak, kommt es nun „darauf an, dass die Kommunen mitziehen“. „Sie haben es in der Hand, den Bau-Turbo anzuwenden. Ihre kommunale Planungshoheit bleibt unberührt. Das Mindset muss sein: Vorfahrt für den Wohnungsbau“, sagte Luczak.
Industrie- und Handelskammer warnt vor Risiken für Unternehmen
Städte und Gemeinden können dem Gesetzentwurf zufolge künftig von den bisher geltenden Vorschriften des Planungsrechts abweichen – sie können zum Beispiel ganz auf einen Bebauungsplan verzichten. Voraussetzung ist laut Bundesbauministerium, dass die Abweichung mit den Interessen der Allgemeinheit vereinbar ist und dass entweder ein Wohngebäude errichtet wird oder ein Gebäude für neuen Wohnraum erweitert, geändert oder erneuert wird. Die Regelungen gelten demnach auch für soziale und kulturelle Einrichtungen wie Kitas oder Theater.
Die Regelung soll bis 31. Dezember 2030 befristet sein. Eine Abweichung von Bauleitplänen soll zudem nur dann möglich sein, wenn sie „nach überschlägiger Prüfung“ keine zusätzlichen „erheblichen“ Umweltauswirkungen hat. Nachbarschaftliche Interessen müssen „gewürdigt“ werden. Zum Zweck des beschleunigten Wohnungsbaus sollen Gemeinden zudem von Immissionsgrenzwerten abweichen dürfen, etwa um Wohnungen näher als bisher an Gewerbegebieten bauen zu können.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hatte vor den Bundestagsberatungen vor Risiken für Industrie und Gewerbe gewarnt. Die Öffnung von Industrie- und Gewerbegebieten für den Wohnungsbau führe kaum zu Entspannung auf den Wohnungsmärkten, „kann aber zu Verdrängung von Unternehmen führen und Investitionen hemmen“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov.
Die Berliner Zeitung im Internet: www.berliner-zeitung.de
