Vor neun Jahren beschloss der Senat, wie der Berliner Gründungsort wiederhergestellt werden soll. Nun wird dort höher und dichter gebaut
Morgenpost vom 01.07.2025 von Isabell Jürgens
Mitte Schon mehr als zwei Jahrzehnte wird um die Stadtreparatur an Berlins ältestem Platz, dem Molkenmarkt, gestritten. Seit 2016 gibt es einen festgesetzten Bebauungsplan, der den neuen Verlauf der Grunerstraße und eine geplante Bebauung auf fünf Baublöcken definiert.
Doch noch bevor es losgeht mit den Bauarbeiten, macht die fehlende Wirtschaftlichkeit den bisherigen Planungen einen Strich durch die Rechnung: Damit das ehrgeizige Vorhaben überhaupt realisiert werden kann, muss umgeplant werden, wie Bausenator Christian Gaebler (SPD) am Montag bei einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss sagte.
Zur Sitzung hatte Gaebler eine Präsentation mitgebracht, aus der unter anderem hervorgeht, dass seine Verwaltung im April dieses Jahres ein Änderungsverfahren des Bebauungsplans eingeleitet hat mit dem Ziel, die zulässige Gebäudehöhe anzuheben und einige Baugrenzen zu verschieben, damit mehr Flächen für Wohnen, Kultur und Gewerbe als bisher vorgesehen errichtet werden können. Abgeschlossen werden soll das „beschleunigte Verfahren“ erst in zwölf Monaten. „Mal sehen, vielleicht bekommen wir es auch schneller hin“, so der Bausenator.
Selbst wenn es bei den zwölf Monaten bleiben sollte, sei es möglich, noch in diesem Jahr die geplanten Architekturwettbewerbe für die Baufelder B2 und A zu realisieren. Bereits Anfang dieses Jahres war der Realisierungswettbewerb für Block B/1 europaweit ausgeschrieben worden und soll noch in diesem Jahr entschieden werden.
Mit Reminiszenzen an die historische Bebauung
Die Blöcke A und B werden durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM realisiert. Und schon beim ersten nordwestlichen Teilbereich des Blocks B1, der acht Gebäude umfasst und zugleich auch den Anfang der Neubebauung machen soll, hat sich für die Bauherrin gezeigt, dass die Wirtschaftlichkeit so nicht gegeben war. Zur Erinnerung: Das neue Quartier im Herzen Berlins soll höchsten Ansprüchen genügen. Entstehen soll ein „zukunftsfähiges und innovatives Quartier mit einer innenstadttypischen Nutzungsmischung für eine dauerhafte Standortattraktivität“ und „Strahlkraft“. So sollen die Gebäude möglichst kleinteilig und mit Reminiszenzen an die historische Bebauung errichtet werden. So ist beispielsweise vorgeschrieben, dass der Sockel der Häuser in Naturstein oder Klinker ausgebildet werden muss, der Mittelteil mit einer verputzten Fassade und das Dach mit einer Neigung, wie sie bei einem klassischen Berliner Altbau vorkommt.
Zugleich sollen sie aber auch höchsten Öko-Standards entsprechen, die geplanten Wohnungen mindestens zur Hälfte mietpreisgebunden sein und die für kulturellen Nutzungen vorgesehenen Flächen zu „leistbaren“ Mieten vergeben werden. Auch die archäologischen Grabungsfunde sollen in den Neubauten, etwa in Form sogenannter archäologischer Fenster, integriert werden.
Weil das nach den bisherigen Maßgaben nicht wirklich funktionierte, soll nun mit einem geänderten Bebauungsplan nachgebessert werden. Statt der ursprünglich 130 Wohnungen im Bereich A und B sind nun rund 200 vorgesehen. Viele davon in einem zusätzlichen Dachgeschoss, aber auch durch eine Veränderung der Grundstückszuschnitte.
„Gegenüber dem ursprünglichen Plan können wir somit 30 Prozent mehr Fläche über den neuen Bebauungsplan realisieren können“, sagte WBM-Chef Lars Dormeyer. Und so sieht die Rechnung aus, die der WBM-Geschäftsführer für die 200 Wohnungen mit einer durchschnittlichen Größe von 62 Quadratmetern und die vorgesehenen Kultur- und Gewerbeflächen aufmacht: „Wir werden 50 Prozent der Wohnungen mietpreisgebunden anbieten“, sagte Dormeyer. 30 Prozent sollen dabei zu einer Einstiegsmiete von sieben Euro je Quadratmeter und Monat (kalt), 20 Prozent zu 11,20 Euro vergeben werden.
„Die 50 Prozent der frei finanzierten Wohnungen, werden, Stand heute, zu 15,44 Euro vergeben.“ Bis 2033 hochgerechnet soll die monatliche Miete auf 18,25 Euro je Quadratmeter steigen, so sieht es der Finanzplan vor.
Die Gewerbemieten wiederum sollen sich in drei Segmente teilen. Im Bürobereich werde die Einstiegsmiete bei 30 Euro, im Gewerbebereich bei 21 Euro und im Kulturbereich „nach heutiger Kalkulation“ bei 15 Euro je Monat und Quadratmeter liegen.
Allein die Bauwerkskosten beliefen sich auf 3580 Euro pro Quadratmeter. „Insgesamt können wir bis zu 200 Millionen Euro an diesem Standort investieren“, schloss Dormeyer ab.
Offen blieb am Montag, ob auch die Blockbereiche C, D und E noch einmal angepasst werden sollen, damit auch dort mehr Wohnungen entstehen können. So weit, sagte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, sei man noch nicht. In Block C entlang der Grunerstraße soll die ebenfalls landeseigene Degewo bauen. Teile des Block C gehören der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die dort Wohnungen für Bundesbeschäftigte errichten will. Generell sei aber auch hier das Ziel, die Anzahl der Wohnungen möglichst zu erhöhen. Insgesamt, so sahen es die bisherigen Planungen für den Molkenmarkt vor, sollen 450 Wohnungen entstehen.
Bei den Abgeordneten im Stadtentwicklungsausschuss sorgte für Unmut, dass die veränderten Pläne erst während der Sitzung bekannt gegeben wurden. „Wir hatten keinerlei Gelegenheit, die neuen Unterlagen gründlich zu prüfen, eine Bewertung ist daher nur schwer möglich“, sagte der baupolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarz. Auch fehle ihm eine genaue Angabe, wann das Quartier am Molkenmarkt in Gänze fertig sein solle.
Ursprünglich sollte laut Senatsbeschlüssen die Wohnbebauung im Jahr 2022 beginnen. Gebaut werden soll nun nach Aussage Gaeblers ab 2027. Wann die ersten Mieterinnen und Mieter einziehen können, ließ der Senator offen.
