Architekt warnt vor einem sinnlosen Prestigeprojekt nördlich des Alexanderplatzes
Berliner-Zeitung vom 15.05.2025
Mitte. Muck Petzet, Stararchitekt und Sprecher der Initiative ReduceReuseRecycleArchitecture hat einen Brandbrief an den Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, und an die fürs Bauen Verantwortlichen in Berlin geschrieben. Er warnt vor dem sogenannten „Rathaus der Zukunft“ für Berlin-Mitte, einem „öffentlichem Prestigeobjekt“, das eigentlich ein „nachhaltiges Vorzeigeprojekt“ hätte werden sollen. Das Ziel des Projekts hätte in der Theorie darin bestanden, „ein überzeugendes Gebäudekonzept zu entwerfen, das dem Anspruch an ein nachhaltiges und innovatives Rathaus der Zukunft im Hauptstadtbezirk Mitte in jeder Hinsicht gerecht werden kann“.
Doch Petzet glaubt, gemäß den Vorgaben der Auslobung werde hier kein Modell für die Zukunft geschaffen, sondern „ein weiteres sinnloses Abriss- und Neubauprojekt realisiert und der Büroleerstand rund um den Alexanderplatz weiter vergrößert“. Obwohl Petzet den Brief bereits im Dezember 2024 abgeschickte hatte, habe der Brief „keine Reaktion ausgelöst“, wie Petzet der Berliner Zeitung sagt. Einzig die Präsidentin der Berliner Architektenkammer habe sich gemeldet. In der Zwischenzeit ist der Wettbewerb entscheiden, den ersten Platz erreichte das Atelier Schmelzer Weber Architekten PartGmbB. Petztes Büro hatte „eine Arbeit eingereicht, die die Bestands-Umnutzung für Sonderfunktionen und den Verbleib der Behörden im jetzigen ‚Behördenzentrum Mitte‘ (gleich hinter dem Kino International, unweit des Wettbewerbsgebiets) propagiert“, so der Architekt. Doch der Entwurf schaffte es nicht über die erste Runde des Wettbewerbs.
Petzet hatte argumentiert, dass es das „Rathaus der Zukunft“ bereits gäbe: Im August 2024 habe das Land Berlin einen offenen, zweiphasigen europaweiten Realisierungswettbewerb für den Neubau des Bezirksamtes Mitte ausgelobt. Die Auslobung spreche „von einem ‚zukunftsorientierten Verwaltungsgebäude‘, das als ‚Pionierprojekt‘ auf dem Areal des ‚Haus der Statistik‘ umzusetzen“ sei.
An der Stelle des geplanten Rathauses befindet sich heute das ehemalige Rechenzentrum des Hauses der Statistik. Die Behörden sind, in unmittelbarer Nähe, im ‚Behördenzentrum Mitte‘ in der Karl-Marx-Allee 31 untergebracht. Es gäbe „also keinen unmittelbaren räumlichen Bedarf für ein solches ambitioniertes – und heute schon veraltet wirkendes Hochhausprojekt“.
Petzet sieht ein unsinniges Vorgehen: „Obwohl in der Auslobung die Verwendung recycelter Bauteile angeregt wird, sollen die vorhandenen Gebäude explizit abgebrochen und dürfen nicht in ein Konzept miteinbezogen werden“. Auch seien den Wettbewerbsteilnehmern trotz Nachfrage keine Bestandsunterlagen zur Verfügung gestellt worden. Petzet: „Wir halten dieses Vorgehen für unverantwortlich. Eigentlich sind sich darüber doch alle einig, dass die Zeit für solche sinnlosen ‚Prestigeprojekte‘ vorbei ist?“
Das bestehende Bürgerzentrum Mitte in der Karl-Marx-Allee 31 aus dem Jahr 1998 habe eine Bruttogeschossfläche von ca. 29.000 Quadratmetern und eine Nutzfläche von ca. 20.000 Quadratmetern. Diese Fläche entspricht der geforderten Gesamtnutzfläche des Neubaus von 19.412 Quadratmetern. Das auf dem Baufeld des geplanten Neubaus noch bestehende ehemalige Rechenzentrum hat eine Bruttogeschossfläche von ca. 7.400 Quadratmetern und eine Nutzfläche von ca. 5.200 Quadratmetern. Dies entspreche den in der Auslobung geforderten öffentlichen Nutzungen wie Ausstellung, Veranstaltung, Bibliothek, Kantine.
Petzet: „Statt eines schicken neuen Hochhauses könnte ein Netzwerk von Nutzungen und Gebäuden entstehen, dass die vorhandenen Ressourcen rund um das Haus der Statistik pragmatisch nutzt und Bürger und Verwaltung verbindet. Eine flexible Organisationsstruktur statt eines starren Neubaus. Ein solches Rathaus, das sich nicht an der Hardware des Gebäudes, sondern an der Software der Nutzungen orientiert, könnte sich tatsächlich stolz ‚Rathaus der Zukunft‘ nennen.“ (BLZ)
