Bausenator Gaebler im Interview über besondere Orte wie den Molkenmarkt und die Friedrichstraße: Klüger und mit historischen Bezügen arbeiten – ohne großen Mehraufwand.
Berliner-Zeitung vom 14.04.2025 von Maritta Adam-Tkalec

2025 stehen zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor zahlreiche Veränderungen an. Der Gendarmenmarkt ist bereits wieder geöffnet, am Rathausforum hat die Umgestaltung begonnen, die Mühlendammbrücke wird abgerissen. Am Molkenmarkt, an der Breiten Straße und der Friedrichstraße stehen wichtige Schritte an. Im Interview gibt Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, eine Übersicht über die Entwicklungen im Zentrum Berlins.

Herr Senator Gaebler, beginnen wir am Molkenmarkt. Derzeit läuft der Wettbewerb für die Gestaltung von Block B entlang der Grunerstraße gegenüber dem Roten Rathaus. Wie ist der Stand der Dinge? Wie geht es weiter?

Am Molkenmarkt ist durch die Verlegung der Grunerstraße die Neuordnung des Stadtraumes schon sichtbar. Jetzt stehen die nächsten Umsetzungsschritte an. Mit den Bebauungsleitlinien haben wir einen Rahmen für das neue Viertel – wobei es nicht darum geht, irgendwelche besonderen Gestaltungselemente anzubauen und damit Aufwand und Kosten zu erhöhen, sondern um den angemessenen Umgang mit dem Stadtraum und die Gestaltung an diesem besonderen Ort.

Dafür gibt es Vorgaben aus verschiedenen Wettbewerbsstufen und aus der Abstimmung mit den Verantwortlichen zum Beispiel für Denkmalschutz oder Städtebau. Die frühzeitige Rahmensetzung sichert, dass Wichtiges von vornherein mitberücksichtigt wird und im weiteren Verlauf kein wahnsinniger Mehraufwand entsteht.

Der laufende Realisierungswettbewerb soll in diesem Jahr abgeschlossen werden. Im Block B wird es Gewerbe geben und – bis hin zur Parochialgasse – Wohnbereiche. Als nächster kommt Block A dran, der gegenüber der Alten Münze liegt. Im Moment laufen Abstimmungen zur genauen Unterbringung der verschiedenen Nutzungen. Wir wollen die Flächen im Rahmen des Bebauungsplans noch einmal erweitern, um die Zahl der Wohnungen noch zu erhöhen.

Sie betonen, es solle kein Mehraufwand entstehen. Heißt das, man hat sich sehr schlichte Bauten vorzustellen?

Nein, wenn man von vornherein bestimmte Bebauungsleitlinien mit im Blick hat, dann entsteht Nachbesserungsbedarf erst gar nicht und deswegen auch kein Mehraufwand. Einzelne, nicht besonders wohlmeinende begleitende Kommentierungen suggerieren, dass man mit den Richtlinien einen Riesenzusatzaufwand erzeugt, der das Wohnen unnötig verteuert – dem kann ich entgegenwirken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Angeblich stiege der Erschließungsaufwand deutlich, wenn kleinteilige Fassadenelemente zum Einsatz kämen, die auf die historische Grundstücksaufteilung zurückgehen. Der Aufwand lässt sich aber durch geschickte Organisation auffangen. Dann finden sich relativ einfache Lösungen, die keine Kostentreiber sind.

Der Senat hat immer kommuniziert, dass am Molkenmarkt 450 neue Wohnungen entstehen. Im vergangenen Jahr irritierte eine Karte in der Ausstellung Stadtwerkstatt Berlin, weil dort nur noch 137 von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zu errichtende Wohnungen ausgewiesen waren. Wie viele werden es sein?

Manche Beobachter suchen immer wieder einen Aufhänger im Detail, um das Ganze zu skandalisieren, haben aber nicht das Gesamtvorhaben im Blick. Der Molkenmarkt besteht aus drei Blöcken: A, B und C. In allen drei Blöcken sollen mindestens 450 Wohnungen realisiert werden, nicht im Block B allein. Im nördlichen Teilbereich des Blocks B entstehen die ersten Wohnungen, der Rest in den übrigen Bereichen. Die Erzählung von den 137 Wohnungen ist eine mutwillige Verkürzung, die nichts mit der Realisierung zu tun hat. Wie ich gerade sagte: Wir prüfen, ob wir in den Blöcken A und B noch mehr Wohnungen unterbringen können.

Wie macht man das?

Man schaut, ob man in der Höhenentwicklung und der Flächenausnutzung Spielräume hat, welche Restriktionen im Bebauungsplan stecken und ob die wirklich genauso sein müssen. An zwei, drei Stellschrauben kann man noch drehen, ohne dass es zu gestalterischen oder denkmaltechnischen Verdrückungen kommt.

Welche Rolle werden Denkmale im neuen Quartier spielen? Wird es Rekonstruktionen historisch wertvoller Gebäude geben?

Wir bauen nicht im luftleeren Raum. In der Umgebung stehen das Alte Stadthaus, das Rote Rathaus, das Nikolaiviertel, die Alte Münze. Es geht darum, dass sich das Neue städtebaulich einpasst, dass Denkmalschutzthemen wie die Sichtbarkeit bestimmter Gebäude beachtet und Sichtachsen nicht völlig überformt werden. In diesem Rahmen haben wir eine gute Lösung gefunden.

In den Blöcken A und B baut die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte. Trägt die Stadt auch die Finanzierung?

Die WBM ist eine GmbH, die eigenwirtschaftlich arbeitet. Sie bekommt vom Land Berlin eine Wohnungsbauförderung, wenn sie Sozialwohnungen baut. Dies geschieht bei allen Neubauprojekten in der Stadt. Das sichert bezahlbaren Wohnraum. Am Molkenmarkt werden die Hälfte der Wohnungen Sozialwohnungen sein.

Wie werden die durch niedrige Mieten zu erwartenden Mindereinnahmen kompensiert?

Es handelt sich um eine Mischkalkulation der Wohnungsunternehmen, die sich aus der Gewerbe- und Wohnnutzung zusammensetzt. Die Wohnungsbauförderung des Landes garantiert bezahlbaren Wohnraum. Weitere Grundlage ist die Kooperationsvereinbarung, die wir mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen abgeschlossen haben.

Durch das Molkenmarktviertel soll ein Kulturpfad führen. Wie darf man sich diesen vorstellen?

Die Kulturverwaltung hat angeregt, verschiedene wichtige Orte im Innenstadtbereich sichtbarer zu machen. Deshalb ist der Kulturpfad zwischen dem Haus der Statistik und der Alten Münze vorgesehen, der auch an Orten wie der Franziskaner-Klosterruine und dem Palais Podewil entlangführt. Der Molkenmarkt wird ein Bestandteil sein mit Ankerpunkten in den Blöcken A und C. Im Block A wird es – in Kombination mit der Alten Münze und dem Schwerpunkt Großer Jüdenhof – einen Kulturbereich geben. Vorgesehen sind sowohl Kulturvermittlung als auch -produktion. Langfristig wird überlegt, das Antikriegsmuseum in Block C anzusiedeln.

Wie werden am Molkenmarkt die ruhigeren Wohnzonen und die belebten mit erwünschter, auch touristischer Öffentlichkeit verteilt?

Entlang der Parochialgasse und des Großen Jüdenhofs liegen offene Bereiche, die dann hoffentlich entsprechend belebt sein werden. Für die Wohnbereiche sind die Blöcke nach innen hinein entwickelt. Entlang der Grunerstraße haben wir einen Gebäuderiegel, der gewerblich genutzt wird. Er dient quasi als Schallschutz.

Wie werden dereinst die sicherlich begehrten Wohnungen vergeben?

So, wie das die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften grundsätzlich machen: diskriminierungsfrei über ein ganz normales Bewerbungsverfahren und entsprechende Auswahlmechanismen. Ganz normal.

Schauen wir auf den nahe gelegenen Mühlendamm. Was geschieht da als Nächstes?

Aus dem Verkehrssenat wissen wir, dass die Maßnahmen zum Ersatzneubau im Zeitplan liegen. Im Moment laufen die Ab- und Rückbauarbeiten am ersten Teilbauwerk. Noch in diesem Jahr sollen die weiteren Bauleistungen beauftragt werden. Die Gesamtbauzeit ist weiterhin bis Anfang 2029 vorgesehen.

Eine weitere Baustelle wird die Breite Straße sein. Wie wird dieser historisch wichtige Straßenzug aussehen?

Wir streben ein städtebaulich zusammenhängendes Quartier an, das sich im Maßstab am historischen Stadtgrundriss orientiert. Im Juli 2024 haben wir den hochbaulichen Realisierungswettbewerb abgeschlossen. Auch hier arbeiten die Stadtentwicklungsverwaltung und die WBM gemeinsam. Es sind Entwürfe für fünf Wohn- und Geschäftshäuser entstanden, die harmonisch auch die historische Kleinteiligkeit abbilden.

Es handelt sich zum Teil um mietpreisgebundene Wohnungen, zum Teil um Büroeinheiten, aber auch um Räumlichkeiten für Kultur. Wichtig sind die öffentlich zugänglichen Erdgeschossbereiche. Kein ganz einfaches Projekt, aufwendiger als normale Vorhaben, weil es recht kleinteilig ist. Man hat relativ wenig Fläche, die dann am Ende vermietet wird, und einen relativ hohen Aufwand. Wir hoffen, dass wir bis Ende 2026 den Baubeginn erleben.

Zum Thema Bauakademie: Wie soll sie aussehen – wie viel Schinkel wird man sehen?

Es laufen Abstimmungen zwischen dem Bund, der Bundesstiftung Bauakademie und dem Land Berlin. Die inzwischen erreichte Verständigung läuft darauf hinaus, dass in der Außenwahrnehmung erkennbar sein wird, dass es sich um ein Schinkel’sches Gebäude handelt – also im Sinne, wie Menschen Schinkel wahrnehmen oder was sie für Schinkel halten.

Es gibt Leute, die meinen: Wir bauen das so, wie es Schinkel heute bauen würde. Das scheint mir etwas beliebig. Es sollte schon ersichtlich sein, dass es sich um einen Schinkelbau handelt. Vorstellbar ist, dass die zum Auswärtigen Amt weisende Fassadenseite auch andere Gestaltungselemente als die historischen einbezieht. Und das Haus muss modernen Anforderungen entsprechen, etwa hinsichtlich der Barrierefreiheit. Für die Innengestaltung gibt es sicherlich größere Gestaltungsfreiheiten.

Ein Sprung zur Friedrichstraße. Was soll aus der viel geprüften Straße werden?

Unter grünen Verkehrssenatorinnen ging es vor allen Dingen darum, den Verkehr aus der Friedrichstraße herauszunehmen, ohne sich Gedanken über ein städtebauliches Gesamtkonzept zu machen. Das führte auch zur kurzfristigen Sperrung der Straße, was zur Folge hatte, dass eben keine Fußgängerzone entstand, sondern eine für Fußgänger eher noch schwierigere Fahrradautobahn. Ein Fehler, den selbst die Protagonisten von damals inzwischen teilweise einsehen: Wenn man solche Maßnahmen nicht in ein Gesamtkonzept einbindet, kann man damit auf die Nase fallen.

Natürlich muss sich die Straße neu aufstellen, auch weil sich der Einzelhandel wandelt. Nach Einschätzung der Immobilienmarktexperten ist die Friedrichstraße weiterhin ein sehr gefragter Bürostandort. Das Thema Einkaufsstraße bereitet uns mehr Sorgen: Wird sie mit ihrem Anspruch im Hochpreisbereich noch funktionieren? Wie erschließt man neue Geschäftsfelder? Die Schließung der Galeries Lafayette hinterlässt ein Loch. Zu überlegen ist, welche Nutzung man ansiedelt, damit wieder mehr Käuferinnen und Käufer angezogen werden. Büros allein schaffen das offensichtlich nicht.

Wie kann man der Gegend mehr Leben einhauchen?

Zunächst wird der neu gestaltete Gendarmenmarkt als Anlaufpunkt, als Platz für Kulturereignisse und Ähnliches unterstützend wirken. Wir müssen aber für die Friedrichstraße ein vernünftiges Gestaltungskonzept entwerfen, im Zusammenhang mit einem übergeordneten Verkehrskonzept, was am Ende zu einer Verkehrsberuhigung führen kann, aber nicht zwingend zu einer Fußgängerzone. Das wird in den Masterplan Berliner Mitte einfließen, der alles inhaltlich zusammenführen soll.

Ab 2025 soll ein neues Regelwerk Straßenraumgestaltung für den historischen Kern Berlins gelten. Was steckt dahinter?

Das Ziel sind hochwertige, zusammenhängende öffentliche Straßenräume in den Bereichen Friedrichstadt, Dorotheenstadt, Friedrichswerder sowie in Alt-Berlin und Alt-Cölln mit einheitlicher Aufenthaltsqualität. Es geht um eingesetzte Materialien, Straßenbreiten, die Einordnung in das übergeordnete Wegenetz.

Man muss überlegen, wie die Klimaanpassung und qualitätsvolle Umsetzung der Mobilitätswende einzubeziehen sind. Das heißt zum Beispiel mehr Raum für Fußgänger, vielleicht weniger oder entsprechend gestalteter Raum für den ruhenden und den fließenden Verkehr. Es geht um einen einheitlichen Rahmen, damit nicht jeder alles neu erfindet, und darum, dass man merkt, aha, ich bin jetzt hier in einem Stadtbereich, der eine besondere Qualität entfaltet, weil er einheitlich gestaltet ist und nicht an jeder Ecke ein anderes Pflaster liegt. Es geht darum, dass die Stadt als solche besser erlebbar wird.

Man soll also merken, dass man sich im Zentrum Berlins befindet?

Genau. Man soll auch den historischen Bezug haben. Wir wollen an diesem zentralen Ort unserer Stadt die Berliner Identität wahren.

Zur Person

Christian Gaebler wurde 1964 in Berlin geboren. Er studierte Bau- und Verkehrswesen mit dem Abschluss Diplom-Ingenieur. Er ist seit 1981 Mitglied der SPD und war 1995 bis 2011 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und 1996 bis 2020 Mitglied des SPD-Landesvorstands Berlin. In verschiedenen leitenden Funktionen arbeitete er in den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt, Inneres und Sport sowie Bauen und Wohnen. Seit dem 27. April 2023 ist er Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Landes Berlin.

Zur Person

Christian Gaebler wurde 1964 in Berlin geboren. Er studierte Bau- und Verkehrswesen mit dem Abschluss Diplom-Ingenieur. Er ist seit 1981 Mitglied der SPD und war 1995 bis 2011 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und 1996 bis 2020 Mitglied des SPD-Landesvorstands Berlin. In verschiedenen leitenden Funktionen arbeitete er in den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt, Inneres und Sport sowie Bauen und Wohnen. Seit dem 27. April 2023 ist er Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen des Landes Berlin.

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