An der Alexanderstraße waren 68 Meter geplant – nun sollen es 115 Meter werden. Doch dafür muss der Investor krasse Auflagen erfüllen.
Berliner-Morgenpost vom 04.01.2024 von Isabell Jürgens

Vor knapp vier Jahren hat der Senat ein Hochhausleitbild beschlossen, das die umstrittene Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgelegt hatte. Das Leitbild macht restriktive Vorgaben, die gerade angesichts hoher Bau - und Finanzierungskosten aktuell schwierig umzusetzen sind. Dennoch will es ein Investor nahe Alexanderplatz nun wagen. Statt eines bereits genehmigten 68 Meter hohen Turms, der die Auflage noch nicht erfüllen musste, plant er ein fast doppelt so hohes Gebäude.

Auf dem trapezförmigen Areal zwischen Alexanderstraße, Stralauer Straße, Schicklerstraße und Bahntrasse sollte ein 68 Meter hohes Hotelgebäude zu errichten wollen. Doch durch die Corona-Krise wurde daraus nichts, das Vorhaben wurde schließlich an die slowakische HB Reavis veräußert. Die hat nun neue Pläne entwickelt, die der Baustadtrat von Mitte , Ephraim Gothe (SPD) am Mittwoch vorstellte.

Errichtet werden soll statt eines Hotel- nun ein Bürogebäude . Und statt der 68 Meter sind 115 Meter geplant. Nach Angaben des Stadtrats gefallen die Pläne im Bezirk – allerdings nur, wenn das neue Hochhausleitbild angewendet wird.

Dieses sieht vor, dass bei neuen Bebauungsplanverfahren alle Hochhausprojekte über 60 Meter insgesamt 30 Prozent der geplanten Geschossfläche „multifunktional“ und nicht gewerblich zu nutzen sein müssen. Konkret bedeutet das für das Vorhaben der HB Reavis: Wenn sie in dem Tower knapp 30.000 Quadratmeter Bürofläche unterbringt, müssen 9000 Quadratmeter im Turm oder im Sockelgebäude, für Wohnen, kulturelle, Einrichtungen, soziale Infrastruktur, Bildungseinrichtungen und sonstige nicht gewerbliche oder nicht kommerzielle Nutzung zur Verfügung stehen.

2500 Quadratmeter öffentliche Dachterrasse

Und nicht nur das: Zudem sieht das Hochhausleitbild vor, dass Erdgeschoss und oberstes Geschoss ebenfalls für die Öffentlichkeit nutzbar sein sollen. „Die Forderung, dass die oberste Etage öffentlich sein muss, haben wir in diesem Fall jedoch abgelöst durch die Auflage, dass auf dem Sockelgeschoss über der fünften Etage eine öffentliche, 2500 Quadratmeter große Dachterrasse entstehen muss“, sagt Baustadtrat Gothe. Vereinbart ist zudem, dass das oberste Vollgeschoss eine Höhe von 95 Metern nicht überschreiten soll. Erlaubt ist darüber eine sich verjüngende „Krone“ bis in eine Höhe von 115 Metern. „Die Gestaltung des Sockels und der Krone sind noch offen, wir legen aber Wert auf ein schlankes Erscheinungsbild für den Turm“, betont Gothe.

„Gemeinsam mit dem Bezirk Berlin-Mitte und dem Senat haben wir uns entschlossen, das vorliegende Konzept hinsichtlich einer Anpassung an moderne städtebauliche Anforderungen – unter anderem zu Mobilität, Nutzungsmischungen und Nachhaltigkeit – zu überprüfen“, sagt HB Reavis-Sprecherin Anja Strauss.  

Architekten hatten sogar 200 Meter vorgeschlagen

In einer ersten Phase wurden daher  die vorhandenen Standortpotenziale geprüft. Zwölf internationale Architekturbüros haben erste Vorschläge geliefert. Zwei davon, so berichtet Gothe, hätten sogar 200 Meter-Türme entworfen: „Die haben wir sofort aussortiert.“ Die verbliebenen zehn haben alle zwischen 100 und 200 Metern gelegen. Aus diesen wurden fünf Konzepte von einer Jury, die sich aus öffentlichen Vertretern, unabhängigen Fachleuten und Vertretern des Grundstückseigentümers zusammensetzte, für die zweite Runde ausgewählt. 

Die zweite Phase sieht vor, die vorliegenden Konzepte zu schärfen sowie Anwohnern und interessierte Stadtöffentlichkeit am weiteren Prozess zu beteiligen.

Bezirk Mitte hat eine lange Wunschliste

Dann soll es auch um die lange Wunschliste des Bezirks gehen. Dieser sieht unter anderem Folgendes vor:

  • 200 Quadratmeter für Kunst, Kultur oder Proberäume mit vergünstigter Miete
  • 1800 Quadratmeter „ Flexi-Büro für Communities /Vereine mit vergünstigter Miete“
  • 200 Quadratmeter für eine kleine Nahversorgung für die Nachbarschaft
  • 1600 Quadratmeter Gesundheitsservices
  • 1100 Quadratmeter Café/Bar an der Terrasse
  • 2500 Quadratmeter „öffentliche Terrassen für die Nachbarschaft“

Die Ergebnisse des Verfahrens und der Beteiligung werden für März/April 2024 erwartet. Baurecht, so Gothe weiter, könne dann Ende 2026 vorliegen.

Weitere Hochhäuser in Bau und Planung

Der Central Tower Berlin ist nicht der einzige, der zwischen Alexanderplatz und Jannowitzbrücke entstehen soll. An der Holzmarktstraße 3-5, auf der anderen Seite der großen Kreuzung und in unmittelbarer Nähe zum S-Bahnhof Jannowitzbrücke entsteht das Ensemble JaHo Berlin mit rund 50.000 Quadratmeter Fläche für Büro- und Konferenzräume, gastronomische Angebote sowie einem Nahversorger. Der erste Bauabschnitt für den flacheren Bau aus der Feder des Architekturbüros Kuehn Malvezzi ist bereits im Bau . Für den von Chipperfield geplanten 70 Meter hohen Turm gibt es dagegen noch kein Baurecht , dieses müsse noch über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gesichert werden – da sei man aber „relativ weit“.

Gute Nachrichten gebe es auch vom seit langem geplanten Turm des US-Unternehmen Hines , das direkt am Alexanderplatz entstehen soll. Weil die  BVG fürchtete, dass der Bau des 150-Meter-Turms direkt über dem Tunnel der Linie U5 Schäden verursacht, wurde das Projekt immer wieder verzögert. Inzwischen, so Gothe, hätten sich Hines und die BVG jedoch geeinigt. Auf Kosten von Hines soll der Tunnel zunächst für 20 Millionen Euro saniert werden, bevor mit dem Bau des Tunnels begonnen werden darf.

Auch am (130 Meter) gehen die Bauarbeiten inzwischen nach Angaben Gothes wieder planmäßig voran, nachdem durch Arbeiten in der Baugrube der 100 Jahre alte U-Bahnhof der Linie 2 in unmittelbarer Nähe  um fast vier Zentimeter abgesackt war und zunächst aufwendig stabilisiert werden musste.

Entwarnung auch für das vom insolventen Tochterunternehmen der Signa-Gruppe geplante Bürohochhaus (134 Meter)

, das unmittelbar an das Galeria-Warenhaus grenzt. Der neue, alleinige Eigentümer und Bauherr Commerz Real hat die Bauarbeiten inzwischen wieder aufgenommen, noch in diesem Monat soll mit dem Rohbau begonnen werden.

Die Arbeiten am „Alexander Capital Tower“

oder auch „ Monarch Tower ”, wie das Projekt ursprünglich hieß, ruhen dagegen seit nunmehr einem Jahr. Der russisch-armenische Investor Monarch, der von Sanktionen gegen russische Unternehmen betroffen ist, sucht aktuell Käufer oder Geldgeber.

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