Die Regattastraße in Grünau soll in Kürze wieder freigegeben werden – wenn alles klappt
Berliner Zeitung vom 25.09.2023 von Andreas Kopiez

Sollte der Wahnsinn wirklich ein Ende haben? Berlins wohl irrsinnigste Baustelle findet in diesen Tagen ihren Abschluss – wenn alles gut geht. Anwohner der Regattastraße in Grünau glaubten nicht mehr daran. Denn dort reihte Panne an Panne, weshalb die Straße seit Sommer 2022 gesperrt und ein ganzer Kiez zur Hälfte abgeriegelt war.

Die Berliner Zeitung hat mehrfach darüber berichtet, wie die ehemalige denkmalgeschützte Ausflugsgaststätte Gesellschaftshaus an der Regattastraße seit der Wende verfiel. Wie ein Spekulant das Areal für 650.000 Mark kaufte und für 17 Millionen Euro weiterverkaufte und welche dubiose Rolle das Bezirksamt bei der Vermittlung und Planung klotziger Häuser spielte. Diese Zeitung berichtete, wie das Gesellschaftshaus wundersamerweise niederbrannte, als ein Investor das Areal erworben hatte, um eine teure Seniorenresidenz zu bauen . Es wurde beschrieben, wie eine ungeordnete „Drecksbaustelle“, wie Nachbarn das nannten, einen ganzen Kiez mit Müll überzog.

Es wurde auch die Serie der Unglücke geschildert: wie jemand flüssigen Beton in den Schmutzwasserkanal unter der Straße laufen ließ und so diesen auf 150 Metern verstopfte. Wie die Berliner Wasserbetriebe (BWB) die Straße deshalb aufreißen mussten, um die Rohre zu wechseln. Wie dabei eine unbekannte Gasleitung beschädigt und ein Teil der Seniorenresidenz evakuiert wurde. Wie dann auch noch ein Glasfaserkabel durchtrennt und der Kiez ohne Telefon und Internet war. Wie wochenlang niemand auf der Baustelle zu sehen war, weil sich Gasag, Wasserbetriebe und Bezirksamt nicht einig wurden – oder die Baufirma Betriebsurlaub machte.

Mit grenzenloser Geduld ertrugen die Kiezbewohner und die Residenten der Seniorenhäuser das Ungemach. Diese hatten Wohnungen dort gekauft oder teuer gemietet. Bis vorige Woche noch sah man alte Menschen, die ihre Rollatoren durch den Schlamm oder den Staub schoben. Eine Zufahrt für Rettungswagen und Feuerwehrautos gab es bis vor kurzem nicht. Auch nicht für Bestattungsunternehmen.

Eigentlich sollte alles längst fertig sein. Im April war ein neuer Schmutzwasserkanal verlegt. Die Gasleitung war wieder angeschlossen, auch das Internet war längst wieder da. Fehlte nur noch die oberste Asphaltdecke. Doch dann platzte unter der wiederhergestellten Straße eine gusseiserne Trinkwasserleitung aus dem Jahr 1940. Auch zwei Gully-Abläufe mussten ausgewechselt werden.

Also schlängelten sich Passanten, die das seit Monaten geübt hatten, weiter auf immer neuen Routen durch wechselnde Absperrgitter-Labyrinthe. Die Fahrbahn wurde vom Bezirksamt zum Materiallager für Pflastersteine und Mutterboden für die Beete auf der noch immer nicht fertigen Außenanlage der Seniorenresidenz umfunktioniert.

Dass die Straße nicht eröffnet wurde, daran geben sich Bezirksamt und Wasserbetriebe gegenseitig die Schuld. Die Wasserbetriebe seien noch nicht fertig, hieß es aus dem Straßen- und Grünflächenamt.

Dem widersprach BWB-Sprecher Stephan Natz Anfang dieses Monats. „Unsere Leitungsbauarbeiten an Rohren und Kanälen sind seit Juni beendet, die Gräben verfüllt und die Straße bis auf die Deckschicht wieder aufgebaut. Uns fehlen die letzten acht Zentimeter Asphalt, dessen Auftragen uns das Straßen- und Grünflächenamt bisher verwehrt hat.“

Als Grund sei den Wasserbetrieben genannt worden, dass erst die Bürgersteige hergestellt und während dieser Zeit „die Fußgehenden“ über die noch unfertige Fahrbahn geleitet werden sollten. Zudem wollte das Amt offensichtlich Zeit für die Aufstellung von zahlreichen Pollern gewinnen. Das mag ja alles legitim sein, heißt es bei den Wasserbetrieben. Nur müsse das Amt das auch so sagen und nicht die Wasserbetriebe als Bummler vorschieben.

Zum Erstaunen mancher Nachbarn hackten Arbeiter am 11. September ein weiteres Mal in den neuen Asphalt. Die Deckel mehrerer Armaturen und eines Straßenablaufs waren drei Zentimeter zu tief montiert und mussten angepasst werden.

In der vergangenen Woche fragte die Berliner Zeitung bei Baustadträtin Claudia Leistner (Grüne) nach, wie der Stand der Bauarbeiten in der Regattastraße sei und wann die Straße für den Autoverkehr geöffnet werde. Ihre Antwort: „Die Arbeiten der BWB sind derzeit noch nicht abgeschlossen.“ Das sei erst der Fall, „wenn auch der endgültige Deckenschluss über ihren durch die Rohrleistungsarbeiten notwendigen Aufgrabungen erfolgt ist“.

„Wird diese Straße jemals wieder aufgemacht?“, fragte am Freitag ein Passant einen Arbeiter der Tiefbaufirma, der gerade Absperrungen wegräumte. „Ist doch offen“, antwortete er. Und tatsächlich fahren seit dem Wochenende wieder Autos durch die gerade asphaltierte Straße.

An diesem Montag, so ist zu hören, werde es eine gemeinsame Begehung von Vertretern der Wasserbetriebe und des Straßen- und Grünflächenamtes geben. Wenn die Leute vom Amt zufrieden sind, wird die Straße offiziell für eröffnet erklärt.

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