Datenanalyse zeigt negative Tendenz im autofreien Abschnitt. Mehrere Filialen schließen
Berliner Morgenpost vom 26.04.2022 - von Jessica Hanack

Sie hat die Meinungen von Beginn an gespalten: die Flaniermeile Friedrichstraße, also der seit August 2020 autofreie Abschnitt zwischen Französischer und Leipziger Straße. Kritik an dem Verkehrsversuch , der nach Plänen der Senatsmobilitätsverwaltung und des Bezirks Mitte Bestand haben soll , gab es immer wieder von Unternehmern aus dem Gebiet. Nun hat das neue Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße “ eine mithilfe von GPS-Daten von Handys durchgeführte Analyse präsentiert, die dem beauftragten Unternehmen PlaceSense zufolge zeigt: Seit Einführung des Verkehrsversuchs hat die südliche Friedrichstraße Besucher verloren.

Betrachtet wurden neben dem autofreien Abschnitt auch der nördliche Teil der Friedrichstraße um den Bahnhof, der Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße über den Zeitraum von April 2019 bis März 2022. Die GPS-Daten, erklärte Jan Barenhoff von PlaceSense würden beispielsweise über Wetter- oder Navigationsapps gewonnen, wenn Smartphone-Nutzer dort eingewilligt haben, ihren Standort zu teilen. Insgesamt seien so Daten von rund 150.000 Handys für die Analyse verwendet worden.

Demnach hätten die Besucher-Frequenzen an der südlichen Friedrichstraße vor August 2020 im Schnitt 17 Prozentpunkte über dem Niveau der anderen drei Straßen gelegen. „Ab der Einführung des Pilotprojekts gehen die Frequenzen runter“, so Barenhoff. Die autofreie Friedrichstraße habe dann 16 Prozentpunkte unter dem Wert der anderen Straßen gelegen. Das Ziel, die Besucherfrequenzen an der Friedrichstraße zu erhöhen, sei nicht erreicht worden.

Betrachtet wurde auch die Entwicklung des Fußverkehrs, die anhand der Geschwindigkeit, mit der sich die Smartphone-Nutzer fortbewegt haben, ermittelt wurde. Die Tauentzienstraße habe demnach wieder an das Niveau vor der Pandemie anknüpfen können, ähnlich sei die Lage am Kurfürstendamm. Anders sahen die Daten für die „Flaniermeile“ aus. „Die Friedrichstraße erreicht nie wieder das Vor-Corona-Niveau, zumindest bis jetzt nicht“, so Barenhoff.

Absolute Zahlen zum Fußverkehr belegen: Zwar liegt die südliche Friedrichstraße immer noch über dem nördlichen Teil, der sich ebenfalls noch unter dem Vor-Corona-Niveau bewegt, der Abstand ist allerdings geringer geworden. Im März kam PlaceSense mit einer Hochrechnung auf rund 1,2 Millionen Fußgänger an der autofreien Friedrichstraße und rund eine Million im nördlichen Abschnitt. Im April 2019 waren es demnach rund 2,2 Millionen Passanten im südlichen Teil gegenüber 1,5 Millionen im nördlichen Abschnitt.

Aktionsbündnis fordert Ende des Verkehrsversuchs

Eine Umfrage des Aktionsbündnisses unter Unternehmen in und um die Friedrichstraße bestätigte zudem die Unzufriedenheit vieler. Von 46 Befragten gaben demnach lediglich zwei an, den Versuch positiv zu sehen. Neun bewerteten die Sperrung für Autos neutral, 34 gaben negative Auswirkungen an – wenngleich sich manche von ihnen auch eine Flaniermeile wünschen. „Die Situation an der Friedrichstraße ist verheerend“, sagte Anja Schröder, Inhaberin von „Planet Wein“ an der Charlottenstraße. Bislang gebe es 15 Schließungen von Filialen an der Friedrichstraße , fünf weitere dächten über einen neuen Standort nach.

Das Bündnis fordert, den Verkehrsversuch zu stoppen und ein Verkehrs - und Tourismuskonzept für Mitte insgesamt zu entwickeln. Wie Annett Greiner-Bäuerle vom Wirtschaftskreis Mitte sagte, sei man offen für verschiedene Überlegungen – etwa dafür, die Friedrichstraße zu einer Einbahnstraße zu machen oder die Nebenstraßen in verkehrsberuhigte Zonen umzuwandeln. Der Senat hat angekündigt, ein Konzept für einen größeren Raum zu entwickeln und die Gestaltung zu überarbeiten. Ein Abschlussbericht zum Verkehrsversuch soll im Mai präsentiert werden.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de