Sanierung des Palais in Mitte startet 2023 kleiner als geplant. Grund: Künftige Mieter stehen noch immer nicht fest
Berliner Morgenpost vom 23.04.2022 - von Joachim Fahrun

Die Suche nach einem Nutzer für eine der prominentesten Immobilien Berlins ist gescheitert. Fünfeinhalb Jahre nach dem Start des Interessenbekundungsverfahrens für das Palais am Festungsgraben in Mitte im Herbst 2017 steht nun alles auf Anfang, weil sich die vom Senat ins Auge gefassten Mieter bis zum Ablauf einer Frist Ende März nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten. Nach Angaben der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) wird das Verfahren nun ergebnislos beendet.

Eigentlich war vorgesehen, dass die nahe gelegene Humboldt-Universität (HU) und der vom ehemaligen Kulturstaatssekretär André Schmitz mitgegründete Verein „Das Deutsche Haus“, der dort eine Arbeits- und Begegnungsstätte für Künstler im Exil einrichten wollte, sich das Palais von 1753 teilen. Aber ein gemeinsamer Letter of Intent kam auch in zwei Jahren Diskussion nicht zustande. Das lag auch an den mittlerweile von 20 auf mindestens 60 Millionen Euro gestiegenen Sanierungskosten, die die verlangte Miete deutlich in die Höhe treiben.

Der Prachtbau Unter den Linden hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Errichtet als repräsentatives Wohnhaus für Johann Gottfried Donner, den Kammerdiener von König Friedrich II, diente es später als Sitz des preußischen Finanzministeriums. Zu DDR-Zeiten residierte hier das Haus der deutsch-sowjetischen Freundschaft. Nach der Wiedervereinigung gab es dort unter anderem eine beliebte tadschikische Teestube und das Theater im Palais. Aber auch das benachbarte Maxim-Gorki-Theater und die Humboldt-Universität waren Mieter. Seit 2017 gehört der dreigeschossige Bau mit der klassizistischen Fassade hinter der Neuen Wache dem Sondervermögen des Landes Berlin und wird von der BIM verwaltet.

Die Vergabe an HU und „Deutsches Haus“ war von Anfang an umstritten. Neun Organisationen hatten sich um das Palais beworben. Darunter war die Initiative für ein „Haus der Vereinten Nationen“ um den ehemaligen Präsidenten der Freien Universität und Zukunftsforscher Rolf Kreibich. Die CDU hatte immer dessen Konzept favorisiert. „Das Verfahren war von Anfang an intransparent und interessengeleitet“, kritisiert der CDU- Stadtentwicklungsexperte Stefan Evers mit Blick auf Ansprüche der vom Linken-Senator Klaus Lederer geführten Kulturverwaltung. Für einen Neustart fordert Evers ein nachvollziehbares Verfahren, für das es mit Punkten bewertete Kriterien geben sollte. Die Kulturverwaltung verwies auf Nachfrage auf die Zuständigkeit des Finanzressorts.

Obwohl nun niemand weiß, wer künftig in das Gebäude einziehen wird, will die BIM im kommenden Jahr mit einer „nutzerneutralen“ Sanierung beginnen, auch wenn das aus Sicht der Bauleute nicht unproblematisch ist. Die Arbeiten sollen etwa drei Jahre dauern. Der Baustart war eigentlich für 2021 vorgesehen. Aber auch die Abstimmungen mit Bezirk und Denkmalschutz zogen sich in die Länge. Strittig ist etwa bis heute die Frage, durch welche Tür Rollstuhlfahrer in das Haus gelangen sollten. Die BIM favorisierte wie auch alle Behindertenverbände einen Zugang durch den Haupteingang. Dort müsste eine Hebebühne entstehen, um die gewünschte Barrierefreiheit zu gewährleisten. Die Denkmalschützer sind darüber nicht glücklich, weil sie die Vorderansicht beeinträchtigt. Ersatzweise haben die Planer eine Hebebühne am Seiteneingang ins Auge gefasst. Damit Gehbehinderte vorfahren können, haben sie beim Bezirk das Anlegen weniger Parkplätze erbeten. Dies wurde bisher nicht genehmigt. So ist bis jetzt ungeklärt, wie die geforderte Barrierefreiheit im Zuge der Sanierung hergestellt werden kann.

Für BIM-Chef Sven Lemiss, der unter seinen 5000 verwalteten landeseigenen Liegenschaften gut 40 denkmalgeschützte Gebäude betreut, sind solche Auseinandersetzungen Alltag. Er beklagt, dass es keine festen Regeln gebe, wie in Planungsverfahren damit umzugehen ist. „Die Vereinbarkeit von Denkmalschutz , Barrierefreiheit und energetischen Anforderungen ist eine grundsätzliche Herausforderung“, sagte Lemiss. „Da muss es einen Paradigmenwechsel geben. Die Genehmigungsbehörden müssen an einen Tisch, um die unterschiedlichen Interessen auszutarieren.“

Bislang komme es vor, dass es immer wieder neue Anforderungen der verschiedenen Behörden gibt, mit denen auch der mit einem Investitionsvolumen von 300 Millionen Euro pro Jahr größte städtische Bauträger umgehen muss. Bei dem Hin und Her könne „mal ein Jahr vergehen“, sagte Lemiss. Das binde Kapazitäten, koste Zeit und angesichts von rapide steigenden Baukosten auch viel Geld. Er wünscht sich politische Vorgaben: „Es muss eine Rang- und Reihenfolge dazu geben“, so der BIM-Chef.

Das Verfahren war von Anfang an intransparent und interessengeleitet.

Die Berliner Morgenpost im Internet: www.morgenpost.de