Berlin, 13.08.2020

Nach erstem, spontanem Jubel kommt der interessierte Bürger wieder in Realität an.
Frau Lompscher hinterlässt eine lange Liste von ungelösten Problemen.
Seit Jahren kommen viele Menschen in die Stadt, um hier zu studieren oder zu arbeiten. Die Wohnungsnot in Berlin wurde immer größer, mit der wachsenden Nachfrage stiegen erwartungsgemäß auch die Mieten. Doch statt das „Bauen, bauen, bauen" zu verfolgen, vertrat Lompscher - im Sinne ihrer Partei - die Meinung, dass Berlin doch groß genug und zu voll sei. Neubauziele wurden ausgerufen, aber in den vergangenen Jahren nicht erreicht.
Gegen steigende Mieten fiel der Senatorin und ihrer Partei der Kampf gegen die „bösen“ Wohnungskonzerne, eine Unterstützung der Initiative für Enteignungen und ein Mietendeckelgesetz ein.

Das Schlimmste aber ist:
Der Senatorin gelang es nicht, die Entwicklung der Stadt auf einen guten Weg zu bringen. Um gutes und schnelles Bauen zu ermöglichen, brachte sie Wohnungsbaugesellschaften, private Investoren und andere Akteure nicht an einen Tisch.

Wo Frau Lompscher Neubau zulässt, wie z. B. im Klosterviertel, will Sie -aus politischer Sicht- die Grundstücke nicht mehr an einzelne private Bauherren verkaufen, sondern je eine große Parzelle an zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften vergeben. Mit dieser Maßnahme soll preisgünstiges Bauen ermöglicht werden. Den städtischen Wohnungsbaugesellschaften wird auferlegt, ein Nutzungskonzept mit mindestens 50 Prozent bezahlbaren Wohnungen zu erstellen. Der Neubau von Sozialwohnungen ist das alleinige beherrschende Thema. Angepasste Architekten sollen im Auftrag von konformistischen Bauherren das neue Stadtquartier am Gründungsort Berlins planen.
Die Senatorin für Stadtentwicklung glaubt, allein mit dem Bezug zum historischen Stadtgrundriss und mit dem Namen Klosterviertel Urbanität und Zukunftsfähigkeit herstellen zu können.
Der Gedanke, zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften ein Stadtquartier entwickeln zu lassen, erinnert an die von Planern angepriesenen neuen Stadtquartiere hinter den Bahnhöfen von Frankfurt am Main, Stuttgart und Quartiere in Berlin, wie z. B. die Planung der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte an der Rathenower Straße in Moabit.

Ihrer Ideologie folgend, lehnte Frau Lompscher es ab, den Charakter der Spreeinsel als Ort der Kultur und Geschichte zu bewahren! Große Grün- und Pflasterflächen sollen die Geschichte der Altstadt zudecken. Der Spreekanal –in Alt-Berlin bekannt als Friedrichsgracht– soll in ein Flussbad mit einem wahrscheinlich nicht genehmigungsfähigen Pflanzenfilter umgebaut werden. Statt Wohnungsbau und Wiederherstellung von Urbanität wird die Planung eines Bauwerks mit Eventcharakter mit EUR 6 Mio. gefördert.

Die Liste der falsch- oder ungelösten Probleme, die Frau Lompscher hinterlässt, ist lang. Wir als Gesellschaft Historisches Berlin hoffen auf einen Neuanfang in der Stadtentwicklungspolitik.
Wir müssen bezahlbares Wohnen schaffen, dürfen aber nicht übersehen, dass die städtebauliche Qualität eine wichtige Rolle spielt. Es ist darauf achten, dass zum Wohnen auch die Gestaltung des öffentlichen Raumes gehört und auf die Geschichte des Ortes Bezug zu nehmen ist.
Leider müssen wir annehmen, dass die aktuelle Misere in der Berliner Stadtentwicklungspolitik nicht nur ein Fall Lompscher ist. Denn die bisherige Politik wurde vom gesamten rot-rot-grünen Senat und dem Abgeordnetenhaus getragen.

Gerhard Hoya
Vorstandsvorsitzender