Tagesspiegel vom 12.02.2024 von Bernau

Bei der Grundsteinlegung für das neue Museum der Moderne, berlin modern oder kurz bm genannt, schwiegen sich über Eines alle alle Redner aus: die Kosten. Dabei wird dieser Museumsneubau, selbst wenn alles klappt, der teuerste mindestens der deutschen Geschichte sein.

Das liegt wesentlich an politischen Entscheidungen: Um 2012 wollten die Staatlichen Museen ursprünglich nur einen reinen Ausstellungsbau errichten, am besten an der Sigismund- oder Tiergartenstraße. Das wurde damals auf etwa 149 Millionen Euro kalkuliert. Auch Stiftungs-Präsident Hermann Parzinger argumenterte 2013 in einem ganzseitigen Text in der FAZ gegen einen Neubau mitten auf dem Kulturforum: zu unpraktisch, zu teuer im Bau und dann vor allem im Betrieb.

Druck der Privatsammler

Aber der Bundestag bewilligte 2014 Kulturstaatministerin Monika Grütters unerwartet 200 Millionen Euro. Sie entschied, nicht zuletzt auf Druck von Privatsammlern: Es wird auf der Mitte des Kulturforums gebaut. Und zwar ganz groß. 2016 fand der Wettbewerb statt, den das Schweizer Architektenbüro Herzog de Meuron mit einer „Scheune“ aus Ziegeln mit Schrägdach gewannen. Die Kritik an dem Projekt war zwar einhellig und in jeder Hinsicht vernichtend. Trotzdem gab der Bundestag, als die Entwürfe ausgearbeitet waren, Grütters sensationelle 364 Millionen Euro frei, genauer: inklusive Baukostensteigerungen und Risikozuschlägen 450 Millionen Euro.

Auch die sind inzwischen verbucht. In den Verwaltungen wird sicher von Baukosten über 500 Millionen ausgegangen. Zum Vergleich: In Mannheim wurde 2020 der vorzügliche Erweiterungsbau der Kunsthalle eröffnet , gebaut nach den Plänen der Hamburger Architekten GMP. Er ist funktionsgleich mit dem Museum der Moderne, umfasst ähnlich große Foyerhallen und viele, klare Ausstellungsräume für die exquisite Sammlung und steht sogar auf ähnlich schlechtem Baugrund .

Die Baukosten blieben aber dank straffer Kostendeckelung pro Quadratmeter Nutzfläche bei etwa 5300 Euro. In Berlin werden derzeit mindestens 31.300 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche kalkuliert. Das ist das Sechsfache! Sogar die luxuriöse Nationalgalerie in Oslo ist im Vergleich mit etwa 13.000 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche fast preiswert.

Tradition in der Baupolitik

Damit wird allerdings eine Tradition fortsetzt. Der größte Skandal der SPK- Baupolitik ist neben dem berlin modern sicherlich der Radikalumbau des Pergamonmuseums. Er verteuerte sich von 385 Millionen für das Gesamtprojekt um 2010 auf inzwischen 1,3 Milliarden Euro. Die Bauzeit verlängerte sich um mindestens 13 Jahre – und die riesigen Rohranlagen unter den Glasdächern des Nord- und Ostflügels dienen nicht etwa der Wärmerückgewinnung oder als Solaranlage, sondern der schnöden Abfuhr der Wärme in die Umgebung. Das war schon um 2010 archaisch, als die Pläne fixiert wurden.

Weiter: Der gefeierte Eingangsbau zur Museumsinsel sollte eigentlich 76 Millionen Euro kosten. Viele Fachleute hatten davor gewarnt, hier zu bauen , aber sie wurde - unter anderem, weil an dem schwierigen Baugrund diverse Firmen bankrott gegangen waren – die teuerste Garderobe der Geschichte: 140 Millionen Euro. Solarenergieproduktion des genau nach Südwesten ausgerichteten Baus : Null.

Der neue Lesesaal in der Staatsbibliothek Unter den Linden : 84 Millionen Euro, für etwa 250 Sitzplätze und Stellplatz für 110.000 Bücher. Für fast genau das gleiche Geld errichtete die Humboldt-Universität wenige Meter weiter ihren Bibliotheksneubau – mit 1200 Arbeitsplätzen und Stellplatz für fast 4 Millionen Bücher.

Staatsbibliothek, Depot in Friedrichshagen, Museumsbauten in Dahlem

Das neue Depot der Staatsbibliothek, in Friedrichshagen auf der „grünen Wiese“ gebaut: etwa 90 Millionen Euro Baukosten . Selbst das neue Tiefdepot der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern kostete kaum 70 Millionen Schweizer Franken, trotz Bau im Fels und strengsten Auflagen des Denkmalschutzes für den Altbau darüber.

Immerhin: Der in Friedrichshagen derzeit entstehende Neubau für das Museumsdepot für etwa 600.000 Objekte soll etwas Grün an den Wänden und sogar Solaranlagen erhalten – aber nur wenn denn das Geld reicht.

Denn auch hier sind, unter anderem weil der Bund plötzlich einen Planungsstopp verlangte, die Baukosten dramatisch gestiegen: 2012 sollten 68 Millionen Euro reichen, 2019 waren es schon 97 Millionen, inzwischen sind 130 Millionen Euro kalkuliert.

Keiner weiß bisher, wie teuer die Sanierung der in den 1960ern errichteten und seit etwa 2000 systematisch vernachlässigten Museumsbauten in Dahlem wird, die nun als Depot für das einzigartiges Ethnologische Museum dienen. Auch die Sanierung der Neuen Staatsbibliothek am Kulturforum ist in den Zeit- und Kostenplänen nach oben offen. Dabei ist der Verschleiß des Baus von Hans Scharoun inzwischen deutlich sichtbar. Und vom Alten Museum spricht kein Mensch mehr, dabei drängt auch dieses.

Ausnahmen von der Regel

Es gab die Ausnahmen von der Regel: das gefeierte Neue Museum, die Neue Nationalgalerie, letztlich auch die Staatsbibliothek Unter den Linden . Und sicher spielt bei diesen Desastern Unvorhersehbares wie Baufirmen -Kollapse und Baukostensteigerungen eine Rolle. Hinzu kommt, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für alle ihre Bauprojekte auf Zuwendungen des Bundes angewiesen ist, außerdem nur staatliche Bauverwaltungen beschäftigen darf.

Aber diese Verwaltungen agieren letztlich nach den Vorgaben der Stiftung und der Kulturpolitik. Und die setzten sich wie im Fall Pergamonmuseum oder berlin modern oft über die Erkenntnisse der Fachleute hinweg.

Denn letztlich ist es doch so: Wenn die Stiftung und das Kulturstaatsministerium an einem Strang ziehen, bewilligt der Bundestag immer wieder die Baumittel . Schließlich geht es, wie es die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters in einem Gespräch sagte, „um die Kultur“, um die „Hauptstadt“. Auf diese Weise wird nie die politische Kernfrage gestellt: Wer übernimmt eigentlich die Verantwortung für Baukosten in Berlin , die jene in Mannheim um das Sechsfache übersteigen?

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