Verkehrssenatorin Manja Schreiner überprüft alte Planung und sucht nach neuen Trassen
Berliner Morgenpost vom 13.10.2023 von Joachim Fahrun

Berlin  Offiziell steht ein Langzeitprojekt der Berliner Verkehrspolitik noch auf der Liste des Senats: Die Verlängerung der Straßenbahnlinie M4 vom Alexanderplatz über den Potsdamer Platz zum Kulturforum soll 2029 in Betrieb genommen werden, heißt es in den Antworten der Verkehrsverwaltung auf die Fragen der Fraktionen im Rahmen der im Abgeordnetenhaus laufenden Etatberatungen.

Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die Strecke neben den Verbindungen von der Warschauer Straße zum Hermannplatz und der Strecke zum Blankenburger Süden noch einmal zu überprüfen. An der Leipziger Straße wird es dabei sehr grundsätzlich: Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) kündigte jetzt an, auch alternative Trassenführungen untersuchen zu wollen. Ihr geht es vor allem darum, den Autoverkehr auf der wichtigen Ost-West-Achse nicht zu stark einzuschränken.

Streit um tägliche Zahl der Autos auf der wichtigen Ost-West-Achse

Auf der Leipziger Straße seien täglich 50.000 Autos unterwegs, so Schreiner. Mit einer Tram komme der Verkehr an der Engstelle in Höhe des Bundesrates zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz „komplett zum Erliegen“, sagte sie kürzlich im Verkehrsausschuss. Das sei „nicht der Weisheit letzter Schluss“. Darum suchten die Planer jetzt andere Trassen, um die Engstelle zu umgehen. Die Senatorin verwies noch auf einen anderen Zusammenhang, der im Zuge der alten Tram- Planung auf der Leipziger Straße aufgetaucht war. Die Experten gingen damals davon aus, dass der 17. Bauabschnitt der Stadtautobahn A100 über die Spree zwischen Treptow und Friedrichshain den Autoverkehr über die Stadtstraße reduzieren würde. Nun ist diese Verlängerung der A100 in der Koalition umstritten. Die SPD möchte die Autobahn in Treptow „qualifiziert beenden“ und nicht bis über die Frankfurter Allee hinaus weiterbauen. Die CDU ist dafür.

Das Bundesverkehrsministerium plant zwar den 17. Bauabschnitt. Aber selbst wenn dieser käme, wäre die komplizierte und auf 1,5 Milliarden Euro geschätzte Neubaustrecke nicht so schnell fertig, wie die Tram vom Alexanderplatz nach Westen rollen soll. „Diese Prämisse ist nicht gegeben“, stellte Schreiner nun fest.

Aus Sicht der Grünen geht es der Senatorin vor allen Dingen darum, den weiteren Straßenbahnausbau zu verzögern. „Die Suche nach der bevorzugten Trasse ist längst in der Grundlagenuntersuchung erfolgt und die aktuelle Streckenführung als die beste herausgekommen“, sagte die grüne Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß. „Eine Wiederholung der Untersuchung würde die ganze Planung um Jahre zurückwerfen.“ Zudem operiere die Senatorin mit veralteten Zahlen. Die Angabe von 50.000 Autos stamme von 2009. Seitdem sei der Verkehr aber zurückgegangen. 2019 seien dort nur noch 42.000 Autos täglich gezählt worden. In den vergangenen vier Jahren sei die Zahl der Fahrzeuge in der Innenstadt noch einmal um 14 Prozent gesunken, weswegen man aktuell von 36.000 Autos pro Tag ausgehen müsse.

Kaum Fortschritte beim Ausbau der U-Bahn erwartet

Wenn sich durch die Tram weiterer Verkehr auf die Schiene verlagere, würden nur noch 25.000 Autos unterwegs sein. „Damit wäre auch eine Halbierung der Fahrspuren gut begründbar“, so die Grünen-Politikerin. Im schmalen Abschnitt der Leipziger Straße, wo es aktuell zwei Fahrspuren je Richtung gibt, passten neben der Straßenbahn nur noch eine Spur pro Richtung zwischen die Häuser.

Auch die Überlegungen zur Anbindung des Blankenburger Südens in Pankow, wo mehrere Tausend Neubauwohnungen geplant sind, sehen die Grünen als Teil einer Strategie, den Tram-Ausbau auszubremsen. In dem Gebiet sollen die Planer nach Aussagen der Senatorin erneut alle Verkehrsmittel untersuchen, also S-Bahn, Tram und U-Bahn. Auch hier habe diese Untersuchung längst stattgefunden.

Das Ergebnis war eindeutig. Weil ein U-Bahn- Bau nicht analog zu den neuen Wohnungen und somit nicht rechtzeitig fertig sein könne und die Finanzierung der 3,5 Kilometer langen Strecke nicht gesichert sei, bleibe die Straßenbahnanbindung mittelfristig das „bestgeeignete Verkehrsmittel “, so das Gutachten von 2019.

Im Bericht des Senats wird zudem deutlich, dass in den nächsten Jahren auch kaum mit Fortschritten beim U-Bahn-Ausbau zu rechnen ist. Von mehr Personal über die von der Vorgängerregierung angeheuerten zwei U-Bahn-Planer hinaus ist keine Rede. Angekündigt sind die Verlängerung der U2 in den Pankower Norden, die U3 nach Falkenberg, die U6 nach Lichtenrade, die U9 nach Lankwitz, eine Linie U10 vom Alexanderplatz nach Weißensee und Karow sowie eine U11 vom Alex nach Marzahn. Diese Projekte würden im Rahmen des neuen Nahverkehrsplans (NVP) auf ihre Umsetzbarkeit überprüft. Allerdings ist der noch nicht fertig. Weitergehende Planungen können deshalb nicht aus dem nächsten Doppeletat bezahlt werden. „Die Maßnahmen des derzeit in der Bearbeitung befindlichen NVP 2024 bis 2028“ könnten im neuen Haushalt nur zu einem kleinen Teil finanziell abgesichert werden, schreiben Schreiners Beamte. Sie könnten erst für 2026/27 eingeplant werden. Für den nächsten Etat hat Finanzsenator Stefan Evers (CDU) jedoch erhebliche Einsparungen von drei Milliarden Euro pro Jahr angekündigt. „Schwarz-Rot verkauft hier bunte Linien auf Papier als neue U-Bahn- Planungen , die frühestens in drei Jahren ab 2026 begonnen werden können“, kritisieren die Grünen.

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