DDR-Tristesse? Nein, danke!
Tagesspiegel vom 12.10.2023 von F. Hanssen

Am Samstag feiert die Komische Oper ihr Spielzeit-Eröffnungsfest, und zwar in Charlottenburg, wo das Musiktheater aus Mitte während der Sanierung seines Stammhauses Unterschlupf im Schillertheater findet. Bei freiem Eintritt gibt’s schon mal Einblicke ins Repertoire, die erste Premiere wird am 28. Oktober das Musical „Chicago“ sein.

Fünfeinhalb Kilometer weiter östlich, in der Behrenstraße, haben derweil die Handwerker die Regie übernommen. Minutiös wird der gesamte Gebäudekomplex der Komischen Oper auf bislang unbekannte Schäden untersucht. Denn alles soll hier besser laufen als weiland bei der Skandal- Baustelle der Staatsoper.

Problematisch ist allerdings auch jetzt wieder die Rolle des Denkmalschutzes. Weil die professionellen Bewahrer Schwierigkeiten damit haben anzuerkennen, dass es sich hier um ein lebendiges Haus handelt - und nicht um ein Museum, das man auf Filzpantinen durchschlurft. Auf die Idee, das Foyer wieder in den Zustand des 1960er Jahre zurückzuversetzen, können jedenfalls nur Menschen verfallen, die nie Aufführungen besuchen.

Ältere Musiktheaterfans werden sich mit Gruseln an die real existierende Tristesse erinnern, die in den Pausenhallen herrschte, bis der Architekt Stephan Braunfels die Foyers durch den Einbau von anthrazitfarben bedampften Spiegelwänden zu echten Flanierflächen aufwertete. Im Jahr 2005 war das. Und ich kennen keinen, der die urban-entspannte Atmosphäre in den Braunfelsschen Wandelhallen nicht schätzte.

Bis auf die Denkmalschützer eben – die unbedingt wieder sozialistische Nutzräume daraus machen wollen. Die Behörde arbeitet allerdings weisungsgebunden. Sie unterliegt also den Vorgaben der Politik. Folglich könnte Kultursenator Joe Chialo das DDR-Disneyland in den Foyers der Komischen Oper noch mit einem Machtwort verhindern. Wann er das tun sollte? Nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.

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