Die Gesellschaft Historisches Berlin kämpft seit 25 Jahren für den Wiederaufbau in Berlins Mitte.
Berliner Morgenpost vom 22.12.2016 von Isabell Jürgens

"Unser schönster Erfolg ist der Schinkelplatz. Und unsere größte Niederlage das Neue Museum." So fasst Gerhard Hoya, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Historisches Berlin e. V. (GHB), in knappen Worten die Arbeit des Bürgervereins zusammen, der seit 25 Jahren unermüdlich dafür kämpft, dass Berlins Mitte nach historischem Vorbild wieder entsteht. "Historisch" ist für den Verein dabei das Vorkriegsberlin, eine Stadt, deren Zentrum im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde und mit den Planungen für die neue DDR-Staatsmitte bis auf einige wenige Symbolbauten endgültig unterging.

Viel hat die GHB, von Kritikern oft geschmäht als Sammelbecken der Ewiggestrigen, im vergangenen Vierteljahrhundert erreicht. So setzte sich der Verein maßgeblich dafür ein, dass Unter den Linden wieder eine gestaltete Mittelpromenade existiert und die Peitschenmasten aus DDR-Zeiten durch die alten Schupmann-Kandelaber ersetzt wurden. Selbst die Generäle aus den Befreiungskriegen zwischen Staatsoper und Opernpalais stehen wieder (fast) an ihren Originalplätzen, und auch der Lustgarten ist nach historischem Vorbild angelegt worden.

Der Schinkelplatz als "schönster Erfolg"
Das Humboldt Forum entsteht nicht nur in der Kubatur des alten Berliner Schlosses wieder, sondern wird an drei Seiten auch mit der rekonstruierten Schlossfassade versehen. Auch dafür hatte die GHB gemeinsam mit dem Schlossförderer Wilhelm von Boddien vehement gestritten.

Der von Hoya als "schönster Erfolg" titulierte dreieckige Schinkelplatz mit den drei Denkmälern und dem Brunnen ist tatsächlich ein echtes Schmuckstück geworden. Der Platz in seiner charakteristischen Form ist exakt wieder da entstanden, wo er bis 1962, als der Schinkelplatz und die Bauakademie für den riesigen Block des DDR-Außenministeriums abgerissen wurden, beheimatet war. "Es hat viel Arbeit gekostet, die Behörden davon zu überzeugen, das riesige Baugrundstück so aufzuteilen, dass Straßenland und öffentlicher Raum entstehen", ruft Hoya in Erinnerung.

Das neue Tor zur Museumsinsel nimmt nun Bezug auf die vorhandenen Bauten
"Stolz sind wir auch darauf, dass wir das zunächst als Glaskubus geplante Eingangsgebäude zur Museumsinsel verhindern konnten", so der 71-Jährige. 14.000 Protestunterschriften sammelte der Verein und übergab sie dem Petitionsausschuss des Bundestags, der britische Stararchitekt David Chipperfield musste seinen Entwurf zurückziehen. In diesem Jahr wurde endlich Richtfest für das neue Tor zur Museumsinsel gefeiert, das mit den charakteristischen Kolonnaden und der großen, weithin sichtbaren Freitreppe zum Lustgarten hin deutlich Bezug nimmt auf die Architektur der auf der Insel versammelten Museumsbauten.

"Obwohl wir viel erreicht haben, haben wir auch einige empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen", sagt Hoya, der seit 1995 Vereinsmitglied und seit 2001 im Vorstand ist. Denn wenn es ihnen auch gelang, seinen Glaskubus zu verhindern, fuhr der von der Queen geadelte Sir David Chipperfield schon im nächsten Architekturstreit einen glänzenden Sieg ein. Chipperfields Sanierungskonzept für das lediglich noch als Ruine vorhandene Neue Museum konservierte bewusst die schweren Schäden und verzichtete auf eine Rekonstruktion der verloren gegangenen einstigen Pracht.

Als das Museum 2009 eröffnete, wurde es mit Auszeichnungen der Fachöffentlichkeit überschüttet, und auch die Besucher standen Schlange und hinterließen begeisterte Kommentare in den ausgelegten Gästebüchern.

520 Mitglieder engagieren sich in der Hauptstadt
"Das schmerzt mich heute noch", gesteht Hoya. Der gelernte Bauingenieur, der über die Sanierung eines alten Fachwerkhauses seine Liebe zur historischen Bausubstanz entdeckte, ist sich sicher, dass die Besucher damals lediglich von der schieren Größe des Treppenhauses überwältigt waren. "Die Leute wissen ja leider meistens gar nicht, wie grandios gerade dieses Treppenhaus einmal war. Die Qualität der Raumes wäre aber noch größer, wenn es in der ursprünglichen Form wiederentstanden wäre", sagt er überzeugt.

Doch diese Niederlage ist längst nicht die einzige, die der Verein, der bei seiner Gründung lediglich sieben, zu seiner Hochphase weit über 1000 und heute immerhin noch 520 Mitglieder zählt, hinnehmen musste. Die Rathausbrücke zwischen Nikolaiviertel und Schloßplatz wurde lediglich als schlichtes Betonband neu errichtet, während die GHB für eine Rekonstruktion der alten Brücke mit Denkmalpodest und Reiterstandbild des Großen Kurfürsten in der Mitte gekämpft hatte.

Obwohl in Berlins Mitte in den vergangenen 25 Jahren längst Stein gewordene Tatsachen geschaffen wurden, sieht die GHB ihre Aufgabe noch längst nicht als erfüllt an. "Auf uns warten noch große Herausforderungen", sagt Hoya. So gelte es beispielsweise, den Wiederaufbau der Altstadtquartiere, deren Bebauungspläne Klosterviertel/Molkenmarkt und Petriplatz/Breitestraße vom Abgeordnetenhaus bereits verabschiedet wurden, kritisch zu begleiten. "Der Senat und das Abgeordnetenhaus haben die Weichen zwar richtig gestellt, doch jetzt geht es darum, sich die Details genau anzuschauen", sagt Hoya.

Die Bauarbeiten sorgten für Schäden an der Schinkelkirche
Wichtig sei, dass dort eine kleinteilige Bebauung entstehe und nicht, wie rund um die Schinkelkirche, riesige Blöcke. "Die haben sich zwar am historischen Stadtgrundriss orientiert", kritisiert Hoya die Bauvorhaben mit Luxuswohnungen. "Doch wie man so dicht neben der Kirche Tiefgaragen genehmigen konnte, ist mir ein echtes Rätsel", sagt er. In der Folge wurden die Fundamente beschädigt, die Kirche ist seit 2012 wegen Bauschäden geschlossen.

Und auch der Wunsch nach einer kleinteiligen Bebauung der Freifläche zwischen Fernsehturm und Humboldt Forum nach historischem Stadtgrundriss treibt die GHB weiter um, auch wenn die Chancen dafür mit der neuen Regierungskoalition denkbar schlecht stehen. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag steht sogar ausdrücklich, dass die Fläche unbebaut bleiben soll.

Und auch das Gezerre um den Neptunbrunnen, den die GHB gern wieder zum ursprünglichen Standort am Schloss versetzen möchte, ist noch längst nicht beendet. "Wir sind der Meinung, die Stadt gehört den Bürgern", sagt Hoyer. "Wir werden uns daher auch weiterhin einmischen."

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