Der Senat plant die Umgestaltung des Kerns von Alt-Cölln und will dafür die Grunerstraße in Mitte verlegen. Verkehrsprobleme drohen.
Berliner Morgenpost vom 19.04.2016 - von Isabell Jürgens

Seit 1999 existieren die Pläne, nach denen der Straßenzug Mühlendamm, Gertrauden- und Grunerstraße, eine der wichtigsten Ost-West-Achsen zwischen Alexander- und Potsdamer Platz, zurückgebaut werden soll. Im sogenannten "Planwerk Innenstadt" hatte der Senat damals festgelegt, dass die überbreite, achtspurige Autopiste auf ein innerstädtisches Maß zurückgebaut werden soll. Doch erst auf seiner Sitzung am Dienstag machte der Senat nun ernst: Auf Vorlage des Senators für Stadtentwicklung, Andreas Geisel (SPD), hat der Senat die umstrittene Verschwenkung des Straßenzugs und seine Verschmälerung auf sechs Fahrspuren beschlossen.

Der Bebauungsplanentwurf für den historischen Kern von Alt-Cölln, der das Areal zwischen Petriplatz und Breite Straße, dem Berliner Rathaus, dem Alten Stadthaus, der Parochialkirche und der Klosterruine umfasst, hat eine Fläche von exakt 107.000 Quadratmetern. Auf dieser soll im Zuge der Stadtreparatur auch das neue Klosterviertel rund um den Molkenmarkt entstehen, der derzeit nicht mehr als eine große Straßenkreuzung ist. Statt mittelalter­licher Gässchen und kleinteiliger Parzellen wird es allerdings modern dimensionierte Gebäude und Straßen geben. Damit das geplante Quartier mit einer Mischung aus rund 450 Wohnungen, Büros und Kultur entstehen kann, muss jedoch der bislang schnurgerade Straßenzug verlegt werden – eine der meistbefahrenen Straßen Berlins.

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Rund 60.000 Pkw nutzen die achtspurige Trasse täglich, die am Alexanderplatz zum Teil im Grunertunnel verschwindet. Künftig soll dieser Abschnitt der Straße nun in zwei Kurven so verlegt werden, dass sie wieder, wie vor dem Krieg, unmittelbar am Berliner Rathaus vorbeiführt. Der Parkplatz dort muss dafür weichen. Ebenfalls weichen muss der große Parkplatz vor dem Alten Stadthaus auf der anderen Straßenseite. Auch die Parkplätze auf dem Mittelstreifen entfallen.

Kritik am Eingriff in den Straßenverkehr
"Insgesamt gehen 350 Stellplätze verloren, die Touristen und Berliner gleichermaßen nutzen", kritisiert ADAC-Verkehrsexperte Jörg Becker. Weniger problematisch sei dagegen der Rückbau der Straße auf drei Spuren. "Im Tunnel gibt es ohnehin nur noch zwei Spuren sowie eine weitere oberirdische Spur", sagt Becker. Der zukünftige, Z-förmige Schlängelkurs am Molkenmarkt erzwinge dagegen ein zweimaliges Abbiegen. "Wir befürchten massive Rückstaus im Berufsverkehr", so Becker. Dabei sei noch gar nicht berücksichtigt, dass über die Spandauer Straße kommend später auch die Straßenbahn auf dem Mittelstreifen der Gertraudenstraße fahren soll. "Das wird das Stauproblem noch vergrößern", befürchtet der Verkehrsexperte.

Und während der Vertreter der Autofahrer den Eingriff in den Straßenverkehr als zu massiv kritisiert, geht er Martin Schlegel vom BUND nicht weit genug. "Die Straße ist auch nach dem Umbau immer noch überdimensioniert", sagt der Umweltschützer. Zwar sei insgesamt zu begrüßen, dass ein Stück Stadt zurückgewonnen werde, das jetzt "quasi Autobahn" sei. Jedoch werde die Aufenthaltsqualität durch den geplanten neuen Zuschnitt der Straße ebenfalls beeinträchtigt sein. Auch die Feinstaubbelastung sei problematisch. "Wir haben an dieser ganz besonderen Stelle Berlins nun die Möglichkeit, die über Jahrzehnte verdeckte Stadtgeschichte wieder sichtbar zu machen. Gleichzeitig schauen wir in die Zukunft, indem wir die Grundlagen für ein lebendiges Stadtviertel im Herzen Berlins schaffen", verteidigt Senator Geisel die Umbaumaßnahmen, die im Vergleich zu den Ursprungsplanungen noch einmal überarbeitet wurden.

So gab es Veränderungen mit Blick auf Lärmabschirmung, die Gebäude außen an der Straße sollen nun höher werden, im Blockinnenbereich dafür etwas tiefer. Des Weiteren wurden die Fahrradwege verbreitert. "Es geht darum, beides – neues Stadtviertel auf historischem Stadtgrundriss und Anforderungen an den Verkehr einer Großstadt – miteinander in Einklang zu bringen", erläutert Martin Pallgen, Sprecher des Senators. Die Grunerstraße bleibe eine wichtige Verkehrsachse in Berlin.

Der Umbau der Grunerstraße werde schätzungsweise 15 Millionen Euro kosten, so Pallgen gegenüber der Berliner Morgenpost. Der Zeitplan sieht vor, dass 2017 mit der Ausführungsplanung begonnen werden soll. 2019 startet dann die Grundstücksvermarktung und erst 2020 der eigentliche Straßenumbau. Ein früherer Beginn sei nicht möglich: "Die Arbeiten am Molkenmarkt beginnen erst, wenn die U5-Baustelle in Mitte verschwunden ist. Wir werden die Berliner Mitte nicht lahmlegen", sagte Pallgen.

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