Die Berliner Architekten geben auf und resignieren vor den Interessen der Immobilienbesitzer und Bauverwalter. Die Debatte zur Neugestaltung der Mitte ist erledigt. Rettet die Stadt vor ihren Planern!
Die Welt vom 8. Januar 2015 - Von Dankwart Guratzsch

Die "Berliner Stadtdebatte", mit der über die Gestaltung der Mitte der deutschen Hauptstadt entschieden werden sollte, ist gelaufen, schreibt das "Deutsche Architektenblatt" (Link: http://dabonline.de) , Zentralorgan der Architektenschaft. Und kritisiert: "Es waren mehrheitlich oder laut vertretene Meinungen in zufällig und nicht repräsentativ zusammengekommenen Runden."

Das ist noch milde ausgedrückt. Wie Teilnehmer der "Dialoge" im Umspannwerk am Alexanderplatz berichten, waren die vorderen Sitzreihen von Angestellten der Berliner Bauverwaltung reserviert worden, von denen dann auch die "Mehrheiten" der abgegebenen Stimmen und die lautesten Wortmeldungen kamen.

Wohnwünsche – etwa nach mehr Wohnungsbau in dem von Ulbricht und Honecker für Aufmärsche und Kundgebungen freigeräumten historischen Zentrum – spielten in der "Debatte" kaum eine Rolle; denn im Plenum waren die Wohnungsbesitzer unter sich. Und die zeigten sich am allerwenigsten an weiterer Verdichtung interessiert.

Die deutsche Hauptstadt verschweizert
So kam ein "Meinungsbild" zustande, das zwar als "Bürgerwillen" verkauft werden konnte, tatsächlich aber gelenkt und geradezu generalstabsmäßig manipuliert war. Ähnliches gilt für die vom Senat (Link: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/bauaufsicht/) präsentierten "311 Beiträge, 2701 Stimmen und 859 Kommentare", deren Entstehung, Herkunft, Objektivität und Unabhängigkeit völlig im Dunkeln bleiben. Am Ende kam heraus, was schon zuvor als Wunschvorstellung lanciert worden war: die Mitte Berlins in eine Freizeitanlage zu verwandeln und den Wohnungsbau in die Draußenstadt (also an den Stadtrand) zu verlagern.

Aber es geht hier nicht um die Utopie einer Verschweizerung Berlins, sondern um die historische Mitte der deutschen Hauptstadt. Ob die "Sichtachsen zwischen Fernsehturm und Spree sowie Berliner Rathaus und Marienkirche erhalten bleiben", darf nicht einem Verfahren überlassen bleiben, dem auch nur ein Hauch von Manipulation anhaftet. Es kann nur und muss Sache einer professionellen Planungs- und Baupolitik sein.

Zu der scheint das krisengeschüttelte Bauressort schon seit den Zeiten des vormaligen Senators und jetzigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller nicht fähig. Von Schönefeld bis Tempelhof, von der Friedrichswerderschen Kirche bis zur Staatsoper und zu der in den Sand gesetzten IBA-Planung pflastern Baudebakel in historisch beispielloser Häufung seinen Weg. Die schwammigen, halb garen, provinziellen Aussagen dieser Behörde über Berlins – also Deutschlands – künftige Mitte dürfen nicht das letzte Wort sein.

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