Gesellschaft Historisches Berlin erklärt Schülern Denkmäler
Berliner Morgenpost vom 30.10.2012 - von Katja Heise

Vierzig dick in Jacken, Schals und Mützen eingepackte Kinder recken ihre Köpfe. Sie bestaunen die plastischen Rosetten an der Decke eines Pavillons am Ende der Kolonnade vor dem Neuen Museum. Um die historische Architektur hier zu entdecken, machen die Schüler der dritten und sechsten Klasse der Heinrich-Seidel-Grundschule in Mitte heute einen Ausflug auf die Museumsinsel. Eingeladen wurden sie dazu von der Gesellschaft Historisches Berlin. Mit dem neuen Projekt "Schule und Denkmal" will sie den Kindern die regionale Kultur nahebringen. Das sei besonders für die Schüler dieser Klassen wichtig, weil 99 Prozent von ihnen einen Migrationshintergrund hätten, sagt Lehrerin Ilona Albert. "Ihre Eltern kommen aus einer ganz anderen Kultur. Sie kennen die deutsche Geschichte nicht und können Sie daher ihren Kindern nicht vermitteln". Die Kinder sollen die historische Gebäude anschauen und dabei lernen, wie Architekten, Restauratoren und Kunsthistoriker in der Denkmalpflege und im Denkmalschutz arbeiten und warum deren Arbeit so wichtig ist.

Wer könnte das besser erklären als eine Fachfrau selbst: Nach den Herbstferien hat Architektin Anne Petersen, die für die Restaurierung der Kolonnade zuständige war, bereits in drei Schulstunden die Kinder informiert. Sie seien sehr interessiert gewesen, sagt Petersen. "Warum zeichnet ein Architekt überhaupt, wenn er doch eigentlich etwas bauen will?", hätten sie zum Beispiel wissen wollen. Außerdem hätten sie gelernt, dass die 2010 beendete Restaurierung der Kolonnade drei Jahre gedauert hat. Die gesamte Restaurierung hat 21 Millionen Euro gekostet. Der Bau stammt aus dem Jahr 1879 und bildete die Grundlage der Museumsinsel, bis große Stücke im Krieg zerstört wurden.

Um das Gelernte zu vertiefen, besuchen die Schüler nun die Kolonnade auf der Museumsinsel. Wichtig sei es, die kindliche Erfahrungs- und Erlebniswelt beim Entdecken der Architektur einzubeziehen, sagt Petersen. Denn man könne bei den Mädchen und Jungen in diesem Alter die Grundlage für ein Geschichtsverständnis schaffen, um dann später darauf aufbauen zu können, sagt sie. Deshalb hat die Architektin auch eine nachgefertigte Rosette mitgebracht, wie sie an der Decke der Kolonnade angebracht ist. Damit die Kinder einmal fühlen können, wie schwer so eine Steinplastik ist und wie sich das Material anfühlt. Jetzt wird den Kindern klar, wie schwierig es für den Steinmetz war, hier überaus exakt zu arbeiten, um aus dem Stein eine Rose zu formen.

Und noch eine anschauliche und spannende Information: Die Säulen der Kolonnade hatten sich im Laufe der Jahrzehnte zur Spreeseite geneigt, ganze sieben Zentimeter. Mithilfe von Hydraulikkränen sei das Dach hochgehoben und die Säulen wieder gerade gerückt worden, erzählt die Fachfrau. Damit sie auch gerade bleiben, wurden im Dach Dehnungsfugen eingebaut.

Schließlich werden Zollstöcke an die Kinder verteilt. Sie sollen die Säulen ausmessen und die Daten aufschreiben - wie echte Architekten eben. Weitere Schüler sollen Passanten fragen, was Sie über die Museumsinsel wissen. Eine dritte Gruppe Schüler malt die Säulen und Rosetten ab.

Praktischer Unterricht - Unterricht Lara, Irem und Astou (vJ.) vermessen Rosetten
Praktischer Unterricht Lara, Irem und Astou (vJ.) vermessen eine Säule an der Alten Nationalgalerie (Foto: Christian Kielmann)

Kommt diese Form des Unterrichts am echten Objekt bei den Kindern an? "Es ist kalt, aber schön", sagt die elfjährige Irem. Ihre Augen leuchten. Es mache Spaß, das in der Schule Gelernte auch mal anschauen zu können. Außerdem könne sie sich jetzt vorstellen, wie die Menschen hier gelebt haben. Und dann schaut sie sich noch einmal um und sagt: "Boah, dass die Lehrerin uns so etwas Tolles heute gezeigt hat!"

Auch in Zukunft will die Historische Gesellschaft Berlin solche Projekttage veranstalten. Bei Interesse können sich Schulklassen unter Tel. 349 06 88 melden.

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